00:00:00
Hallo, hallo, wir sind zurück, ohne jemals weg gewesen zu sein.
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Wie fühlt sich das denn an?
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Es war schon ein bisschen heimlich, unsere Aktion in den Urlaub zu fahren, ne?
00:00:21
Richtig undercover fühle ich mich.
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Ihr habt es nicht mitbekommen, wir haben uns zwischendurch mal in den Urlaub verpieselt,
00:00:28
haben aber vorproduziert.
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Und deswegen hattet ihr in der letzten Folge, die von uns rausgekommen ist, auch nicht zum
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Krieg gegen die Ukraine von uns gehört, weil die halt eben schon fertig war.
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Ja, und uns ist natürlich total wichtig, einmal darüber zu reden, auch selbst zu helfen und
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Menschen, die vielleicht noch nicht wissen, wie sie helfen können, irgendwie was mit an
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die Hand zu geben.
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Genau, wir haben nämlich ein paar Nachrichten bekommen von Leuten, die nicht so richtig wissen,
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wie können sie sich engagieren oder wo sollen sie hinspenden.
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Laura hat jetzt gerade, nachdem sie ihren Zugang für unser Geschäftskonto wieder freigegeben
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bekommen hat, einen größeren, kann man das jetzt so sagen oder nicht?
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Doch, größeren kann man schon sagen.
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Einen größeren Betrag überwiesen.
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Und zwar an eine Organisation, die betrieben wird von Alexandra.
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Das ist eine Bekannte von mir und die leistet gerade ganz viel Hilfe.
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Die hat nämlich den Club ihres Mannes, der wegen Corona nie eröffnen konnte, in eine Sammelstelle
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für Spenden umgewandelt.
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Direkt gegenüber ist so eine Art Spendensupermarkt, wo sich Geflüchtete auch Sachen rausholen können,
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die sie brauchen.
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Den beliefern die jetzt und schicken aber auch LKW mit Hilfsgütern in die Ukraine.
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Alexandra ist selbst Ukrainerin und dementsprechend wichtig ist ihr natürlich auch, dass sie
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selbst aktiv hilft.
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Das hat sie mir erzählt, als ich sie dort besucht habe.
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Ich sehe das eigentlich wie eine Verpflichtung meiner Heimat gegenüber meinem kleinen anderthalbjährigen
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Sohn und auch vor allen Dingen meinen Vater.
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Mein Vater ist Veteran, der hat mit den 15 UdSSR-Staaten in Afghanistan zusammengekämpft.
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Also unter anderem auch mit den Russen.
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Das heißt, mit seinen Brüdern Seite an Seite.
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Und er sitzt jetzt, er ist in Israel wohnhaft, er sitzt jetzt zu Hause wirklich super depressiv
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da und ich habe ihm einen Riegel vorgeschoben und habe gesagt, auf gar keinen Fall, du wirst
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dann nicht einreiten.
00:02:13
Und das ist definitiv sein innigster Wunsch, dort einzureiten und dort an der Front zu helfen.
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Wenn er nicht helfen kann, dann versuche ich das von der anderen Seite zu machen.
00:02:23
Alexandra ist jetzt gerade dabei, auch einen Verein zu gründen.
00:02:26
Die macht das aber auch alles übrigens nicht alleine, sondern zusammen mit Maria, die in
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Russland geboren ist.
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Und als ich da war und mit Alexandra gerade gesprochen habe, kam Maria rein und die beiden
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haben so ein bisschen gescherzt, dass Maria da jetzt gerade nur geduldet wird aufgrund
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Das ist natürlich so ein bisschen eine Anspielung auf viele Russinnen und Russen, die gerade
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in Deutschland angefeindet werden, was natürlich gar nicht geht.
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Ich meinte, dass ich das halt einfach als Bild sehr schön finde, dass ihr jetzt zusammen
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Ja, wir hoffen ganz stark, dass es einfach bei Leuten auch die richtigen Gedanken bringt,
00:03:03
dass man gewisse Dinge auch mal zusammen machen kann, unabhängig davon, woher man kommt
00:03:07
und aus welchem Land und welche Polizie gerade in dem jeweiligen Land stattfindet.
00:03:12
Also es geht um die hundertprozentige humane Geschichte dahinter.
00:03:15
Und damit wollen wir signalisieren, Leute, bitte denkt mal um.
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Also welchen Präsidenten ihr gerade toll findet oder welche Politik gerade doof ist.
00:03:24
Das ist jetzt gar nicht unsere Frage.
00:03:26
Dafür haben wir gar keine Zeit.
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Wir haben nicht mal die Zeit, Nachrichten zu lesen.
00:03:29
Wie helfen den Menschen?
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Und was braucht ihr hier am dringendsten?
00:03:34
Also wenn Leute euch unterstützen möchten, wie können sie das am besten machen?
00:03:37
Ich habe gerade einen Anruf bekommen aus Scharkow, gerade jetzt auf dem Weg zu euch, Essen.
00:03:41
Die sagen, alle essen.
00:03:43
Also Hungernot ist im Moment wirklich das größte Problem, wenn wir über die friedliche Bevölkerung sprechen.
00:03:48
In Ukraine sind im Moment sehr kalte Tage.
00:03:52
Die Menschen haben nicht die Möglichkeit, stundenlang in diesen wenigen Punkten für die Lebensmittelversorgung zu stehen.
00:03:58
Und deswegen sagen sie, bitte, bitte Konserven essen, Trocken essen, Nudeln, Reis.
00:04:04
Alles, was man sozusagen auf die längere Sicht transportieren kann.
00:04:08
Aber natürlich auch Geld spenden.
00:04:11
Damit finanzieren sie nämlich Menschen in der Ukraine, die dort Hilfsgüter hin und her fahren.
00:04:16
Aber eben auch diese 20 Tonner, die sie dann in die Ukraine von Deutschland ausschicken.
00:04:21
Und Maria hatte mir noch erzählt, dass ein Lkw One-Way, je nachdem welche Stadt das in der Ukraine ist, 400 bis 600 Euro kostet.
00:04:29
Also nur Benzin, die Lkw an sich kriegen sie von Speditionen als Spende gestellt.
00:04:34
Und dann meinte ich halt so, warum denn One-Way?
00:04:37
Und das ist so, weil viele Fahrer Ukrainer sind, die in Deutschland gearbeitet haben.
00:04:41
Und die fahren da jetzt hin, geben dann die Güter ab, weil sie quasi nicht leer fahren möchten und gehen dann danach in den Krieg.
00:04:48
Ja, und wenn man das hört, dann da weiß man dann wieder direkt, wie ernst das alles ist und dass es jetzt nicht ist, ja, die fahren das da hin und liefern das ab.
00:04:56
Dann haben die da was und dann kommen die wieder zurück.
00:04:59
Sondern diese Menschen werden dann ihr Leben riskieren, ja.
00:05:04
Also, als du mir das erzählt hast, musste ich auch erstmal schlucken, weil irgendwie, es ist immer noch so surreal auch für mich irgendwie diese ganze Situation.
00:05:13
Wie gesagt, wir haben da jetzt schon einen größeren Geldbetrag hingespendet und Paulina war auch die Woche da und hat einen Einkaufswagen hingebracht.
00:05:21
Das könnt ihr auch machen, also ihr könnt da selber hingehen und spenden, immer donnerstags bis Samstag von 12 bis 16 Uhr in der Joachimsthaler Straße 25 in 10719 Berlin.
00:05:33
Und diesen Samstag, den 19. März, fahre ich selber auch nochmal da hin.
00:05:36
Ich denke, ich bin dann so ab 12, circa ein bis zwei Stunden da.
00:05:39
Und dann würden wir uns natürlich auch total freuen, wenn auch viele von euch da spenden lassen.
00:05:45
Und wenn ihr nicht in Berlin seid, aber Maria und Alexandra trotzdem unterstützen wollt, wir packen euch einen Link für Paypal in die Folgenbeschreibung und auf Instagram könnt ihr den jetzt auch schon finden.
00:05:55
Da gibt es auch so ein Konto für Unternehmensspenden, die beiden stellen nämlich auch Quittungen aus.
00:06:00
Gebt als Betreff gerne Mordlust an, damit das irgendwie zugeordnet werden kann.
00:06:04
Vielleicht schaffen wir ja irgendwie alle zusammen einen LKW mit Spenden für die Ukraine vollzubekommen.
00:06:09
Genau. Also diesen Samstag ab 12 Uhr. Ich warte da auf euch. Und ja, damit wir auch weiterhin spenden können, gibt es jetzt.
00:06:17
Jetzt aber zur eigentlichen Folge und damit herzlich willkommen zu Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
00:06:24
Mein Name ist Paulina Kraser.
00:06:26
Und ich bin Laura Wohlers. In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle nacherzählen, darüber diskutieren und auch mit Menschen mit Expertise sprechen.
00:06:35
Wir sind hier ein bisschen lockerer miteinander ab und zu mal. Das hat aber nichts damit zu tun, dass uns die Ernsthaftigkeit für das Thema fehlt.
00:06:43
Das ist für uns immer so eine Art Comic Relief, damit wir zwischendurch auch mal aufatmen können.
00:06:47
Das ist aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
00:06:50
Heute geht es bei uns um Folter.
00:06:53
Wenn ich bisher an Folter gedacht habe, dann kamen halt bisher immer so Bilder in meinem Kopf von Menschen, die entweder irgendwo gefangen gehalten werden und mal trittiert werden.
00:07:05
Also bei denen dann halt beispielsweise Waterboarding angewendet wird oder so, um aus den Informationen zu locken oder aber um halt die Menschen zu bestrafen.
00:07:15
Hast du Gesetz der Rache gesehen?
00:07:18
Das ist für mich so der Leitfaden für physische Folter. Ich denke mir immer alle, die physisch foltern müssen oder wollen, die gucken sich vorher sowas an.
00:07:30
Müssen. Aber warte mal ganz kurz. Ist das dieser Film, vielleicht habe ich ihn doch geguckt, ist das dieser Film, wo ein Vater den Mörder seiner Familie oder so gefangen hält?
00:07:44
Genau. Ah ja, gut, dann habe ich den doch geguckt.
00:07:47
Ja, und zwar Gerald Butler. Von ihm werden, also nicht von ihm, aber von der Person, die er spielt, werden Frau und Tochter vor seinen Augen halt brutal getötet.
00:07:58
Und der holt sich dann zehn Jahre später den Täter. Und ich kriege diese Szene halt nicht aus meinem Kopf. Du weißt, von welcher ich spreche.
00:08:06
Also der ist da auf dieser Liege festgeschneit, wie auch immer. Und der Typ schneidet den halt in Häppchen.
00:08:12
Das ist so krass. In diesem verlassenen, riesigen Lagerhaus. Es ist wirklich auch die einzige Szene, die ich erinnere.
00:08:19
Genau. Der Film ist eigentlich gar nicht so gut. Aber man erinnert sich an die Szene und an die Szene erinnere ich mich auch noch, wo die Tochter und die Mutter halt getötet werden.
00:08:28
Liegt er da nicht auch am Boden und sieht es dann?
00:08:31
Auf jeden Fall würde man das, was diesem Typen, aus dem da Häppchen geschnitten werden, angetan wird, ja schon als Folter bezeichnen.
00:08:39
Laut den Vereinten Nationen ist Folter jede Handlung, Zitat, durch die eine Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen zugefügt werden.
00:08:48
Zum Beispiel halt, weil man von dieser Person oder einer anderen eine Aussage oder ein Geständnis bekommen will.
00:08:54
Aber auch, wenn man sie beispielsweise bestrafen will.
00:08:56
Zum Beispiel, weil die Person eine Tat begangen hat oder auch nur begangen haben soll.
00:09:01
Manchmal foltert man aber auch, um einzuschüchtern oder um zu diskriminieren.
00:09:05
Und das ist so, dass nahezu alle Länder eine Konvention unterzeichnet haben und sich damit eben auch dazu verpflichtet haben, Folter nicht anzuwenden.
00:09:14
Darunter sind auch Syrien und Russland und wenn sich alle daran halten würden, dann hätten wir heute auch keinen Anlass, darüber zu sprechen.
00:09:23
Und mein Fall zeigt, wie das aussehen kann, wenn sich Länder nicht daran halten.
00:09:28
Es ist der Abend des 2. Oktober 2001.
00:09:33
Murat möchte sich von seiner Mutter Rabie verabschieden, ohne sich von ihr zu verabschieden.
00:09:37
Denn sie darf nicht wissen, was er vorhat.
00:09:41
Der 19-Jährige will nämlich nach Pakistan und das würde sie ihm nie erlauben.
00:09:45
Um von ihr trotzdem noch einmal gedrückt zu werden, gibt Murat vor, Rückenschmerzen zu haben.
00:09:50
Denn dann könnte sie ihn massieren und er sich mit einer Umarmung bedanken.
00:09:54
Doch sein Plan geht nicht auf.
00:09:56
Auf Murats Bitte, antwortet Rabie, nur sie sei zu müde.
00:10:00
So bleibt eine Umarmung aus.
00:10:03
Dass er auf so eine, aber jetzt 5 Jahre warten muss, kann Murat zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen.
00:10:09
Schon am nächsten Tag steht er mit seinem Kumpel Seljuk bei der Ausweiskontrolle am Flughafen.
00:10:15
Bepackt mit großen Rucksäcken, Wanderausrüstung, Visum und Pass sind sie bereit für ihre Mission.
00:10:20
Den Koran studieren.
00:10:23
Denn obwohl Murat Moslem ist, musste er sich vor ein paar Monaten eingestehen, dass er nicht wirklich viel über seine eigene Religion weiß.
00:10:29
Das hatte ihn seine gesamte Kindheit und Jugend aber nie gestört.
00:10:33
Er hat nach seinen eigenen Regeln gelebt.
00:10:35
Als Türsteher gearbeitet, Party gemacht, Boxkämpfe gewonnen und auch mal zwei Freundinnen gleichzeitig gehabt.
00:10:40
Doch dann hat sich bei ihm plötzlich ein Schalter umgelegt.
00:10:44
Er wollte so nicht mehr weitermachen und hatte sich vorgenommen, von nun an strenggläubig zu leben.
00:10:49
Inklusive strenggläubiger Muslima als Frau.
00:10:52
Das hatte er auch seiner Familie erzählt und tatsächlich hatte seine Tante direkt jemanden im Kopf.
00:10:57
Eine junge Frau namens Fatima aus Kuska, dem Ort in der Türkei, in dem auch seine Großeltern wohnen.
00:11:04
Mithilfe der Eltern wurde ein Kennenlernen in der Türkei organisiert
00:11:07
und auch wenn es jetzt nicht Liebe auf den ersten Blick war, verstanden sich die beiden so gut, dass sie einwilligten zu heiraten.
00:11:14
Und so läuteten kurze Zeit später die Hochzeitsglocken.
00:11:17
Doch mit ihnen keimte Sorge in Murat auf.
00:11:21
Wie soll er der gläubigen Fatima ein guter Ehemann sein, wenn er gar nicht genug über den Koran weiß?
00:11:26
Er war zwar in letzter Zeit oft in den Bremer Moscheen gewesen,
00:11:29
aber eigentlich würde er lieber auf eine ganztägige Koranschule gehen.
00:11:33
Als er dann bei einem seiner Moscheebesuche eine Gruppe Moslems kennenlernte, keimte in ihm eine Idee.
00:11:39
Die jungen Männer erzählten Murat vom Mansura Center in Lahore,
00:11:43
einer richtig guten Koranschule in Pakistan.
00:11:45
Wenn er dort hingehe, würde er innerhalb von nur zwei Monaten alles lernen, was er bräuchte,
00:11:50
um Fatima ein guter Ehemann und gläubiger Moslem zu sein.
00:11:54
Murat war sofort Feuer und Flamme.
00:11:56
Bevor Fatima im Dezember nach Deutschland käme, würde er nach Pakistan gehen und lernen.
00:12:01
Und jetzt steht Murat bei der Ausweiskontrolle und ist bereit für sein Abenteuer.
00:12:07
Doch für seinen Kumpel Seljuk, den er hatte überreden können, ihn zu begleiten, endet dieses bereits hier.
00:12:12
Wir können Sie leider nicht ausreisen lassen, Sie müssen noch eine Strafe bezahlen, sagt der Beamte zu Seljuk.
00:12:18
Tatsächlich war er vor einiger Zeit zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sein Hund jemanden gebissen hatte.
00:12:24
Jetzt heißt es, wenn Sie Deutschland verlassen wollen, müssen Sie jetzt zahlen.
00:12:28
Seljuk versichert Murat, dass er seinen Bruder anrufen und ihn um die Zahlung bitten würde.
00:12:34
Mit dem nächsten Flieger würde er dann nachkommen.
00:12:37
Und so besteigt Murat das Flugzeug nach Pakistan allein.
00:12:40
Dort angekommen, ruft er sofort bei Seljuk zu Hause an.
00:12:43
Seine Frau geht ran, doch legt sofort wieder auf, als sie hört, wer am anderen Ende ist.
00:12:48
Murat versucht es noch einmal, vergeblich.
00:12:51
Er versteht nicht, warum man nicht mit ihm reden möchte, aber er will auch keine Zeit verlieren und macht sich schon mal auf den Weg zur besagten Koranschule.
00:12:59
Doch dort wird er abgewiesen, weil sie momentan keine Ausländer mehr aufnehmen.
00:13:05
Als Murat überlegt, was er jetzt tun soll, erinnert er sich daran, dass die jungen Männer, die Murat in der Moschee kennengelernt hatte, von Glaubensbrüdern erzählt hatten,
00:13:13
die in Pakistan auch in kleinen Gruppen von Moschee zu Moschee ziehen und den Koran studieren.
00:13:17
Er entscheidet sich, solch einer Gruppe anzuschließen.
00:13:20
Murat fährt also weiter durchs Land und setzt seinen Plan erfolgreich in die Tat um.
00:13:24
In den nächsten Wochen besucht er täglich den Koranunterricht, lernt, wie man den Koran liest, ihn versteht, wie man betet und was der Prophet Mohammed mündlich überliefert hat.
00:13:34
Nach acht Wochen will Murat dann seine Heimreise antreten und macht sich auf den Weg zum Flughafen, voll bepackt mit schön verpackten Süßigkeiten für seine Mutter.
00:13:42
Nach einer Weile hält der bunt bemalte Bus, in dem er sitzt, an einem Checkpoint.
00:13:47
Diese Kontrollen gibt es hier überall und Murat war bestimmt schon viermal an so einem vorbeigefahren, nie wurde er kontrolliert.
00:13:54
Doch jetzt wird der Bus zum Anhalten gezwungen.
00:13:56
Ein Polizist schaut durch das Fenster in den Innenraum und Murat direkt in die Augen.
00:14:00
Er sagt etwas, das Murat nicht verstehen kann und bedeutet ihm, dass er aussteigen soll.
00:14:05
Dann wird er in einen kleinen fensterlosen Raum geführt, in dem ihn ein anderer Beamter auf Englisch fragt, woher er komme.
00:14:12
Aus Deutschland, antwortet Murat.
00:14:14
Murat erklärt, dass er Türke sei und aus Deutschland komme.
00:14:21
Denn obwohl Murat in Deutschland geboren wurde, hat er nur einen türkischen Pass und eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung.
00:14:28
Arbeitest du für Deutschland, fragt der Polizist daraufhin.
00:14:31
Offenbar versteht er nicht, dass Murat mit seinem türkischen Pass trotzdem aus Deutschland kommen kann.
00:14:36
Aber Murat bleibt ruhig.
00:14:39
Sicher werden jetzt nur kurz Pass und Visum gecheckt und dann kann er weiter.
00:14:42
Doch nach einer Weile kommen mehrere bewaffnete Polizisten in den Raum, die Murat nach draußen führen und in ein Auto setzen.
00:14:49
Dann geht's los.
00:14:50
Wohin, wird Murat nicht gesagt.
00:14:53
Nach ungefähr 30 Minuten halten sie vor einer großen Villa mit parkähnlichem Vorgarten.
00:14:58
Kurze Zeit später sitzt Murat in einem Zimmer, das aussieht wie in einem Vier-Sterne-Hotel.
00:15:02
Dort wird er von einem blonden Mann ausgefragt.
00:15:06
Langsam wird Murat ungeduldig.
00:15:09
Schließlich geht sein Flug bald.
00:15:10
Doch es dauert mehr als eine Stunde, bis er wieder zum Auto geführt wird.
00:15:14
Und mit der nächsten Fahrt beginnt eine unendlich lange Odyssee für Murat, die mit jedem Halt unerträglicher wird.
00:15:21
Erste Station ist eine Polizeiwache, in der Murat sich für eine Nacht eine Zelle mit mehr als 20 Männern teilen muss.
00:15:28
Dort wird ihm versichert, er würde morgen in die Türkei geflogen.
00:15:31
Doch dazu kommt es nicht.
00:15:33
Stattdessen geht es für Murat am nächsten Tag in ein anderes Gefängnis.
00:15:36
An Ketten gefesselt und mit einem Sack über dem Kopf.
00:15:39
Noch immer weiß er nicht, warum er diese Behandlung bekommt.
00:15:42
Und auch hier wird er befragt.
00:15:43
Diesmal stundenlang.
00:15:45
In diesem Gefängnis bleibt Murat einige Tage.
00:15:47
Alleine in einer Zelle, die kein Fenster hat und in der stets das Licht brennt.
00:15:52
Manchmal kommt jemand rein und bringt rote Linsen.
00:15:55
Das gibt es einmal am Tag.
00:15:56
Ein Glas Wasser zweimal.
00:15:58
Wenn Murat auf die Toilette will, muss er gegen die Tür schlagen,
00:16:00
bis ihm aufgemacht und er in einen kleinen Raum geführt wird, in dem ein Loch im Boden ist.
00:16:05
Manchmal muss er stundenlang gegen die Tür treten, bis mal jemand kommt.
00:16:08
Murat, der bisher immer noch relativ ruhig geblieben ist und sich sicher war,
00:16:13
dass sich alles bald aufklären würde, wird jetzt panisch.
00:16:16
Denn Geld für ein neues Flugticket hat er nicht
00:16:18
und er kann sich auch nicht vorstellen, dass die pakistanischen Behörden ihm eins kaufen würden.
00:16:23
Bezweifelt läuft er in seiner Zelle auf und ab.
00:16:25
Irgendwo hat er mal gelesen, dass man von zu langer Isolationshaft verrückt werden kann.
00:16:29
Er tritt also wieder einmal gegen die Holztür und wartet.
00:16:32
Als irgendwann ein Beamter kommt, fragt Murat nach dem Koran.
00:16:36
Zwei Tage später kommt der Fremde mit dem Buch zurück.
00:16:38
Ein Glücksmoment für Murat, der leider nur kurz anhält.
00:16:41
Denn wenige Minuten später geht die Tür wieder auf und pakistanische Polizisten stehen vor ihm.
00:16:46
Sie haben schwere Eisenketten dabei, die sie ihm mithilfe von Manschetten um die Hand und Fußgelenke legen
00:16:52
und so eng ziehen, dass es weh tut.
00:16:54
Und dann wird es auch wieder dunkel.
00:16:56
Man hatte Murat wieder einen Sack über den Kopf gestülpt.
00:16:59
Die nächste lange Autofahrt, das nächste Gefängnis, die nächste Zelle.
00:17:02
Nach ein paar Tagen wieder die gleiche Prozedur.
00:17:05
Ketten an, Sack drüber und ab ins Auto.
00:17:07
Diesmal wird Murat zu einem Haus gebracht, in dem ihn zwei US-Amerikaner befragen.
00:17:12
Sie stellen ihm eine Frage, die ihm den Grund seiner Festnahme bewusst macht und schockiert.
00:17:18
Bist du ein Terrorist?
00:17:21
Kennst du Osama?
00:17:25
Ich weiß es nicht.
00:17:26
Sag es mir und ich lass dich gehen.
00:17:28
Ich weiß es nicht.
00:17:29
Ich dachte jetzt erst, also wo ist Osama?
00:17:38
Dass er dann denkt, weil er meinte, kennst du Osama?
00:17:42
Dass er dann denkt, das ist so eine Stadt.
00:17:43
Und dann, wo ist Osama?
00:17:45
Dass er dann sagt, ich weiß es nicht.
00:17:48
Ja, ich glaube, der war auch ein bisschen perplex, als er diese Frage gehört hat.
00:17:52
Vor allem so ohne Nachnamen.
00:17:55
Also ist irgendwie auch ganz komisch.
00:17:57
Was Murat auch nicht weiß, ist, dass die US-amerikanischen Behörden den Namen Murat Kurnas bereits kennen, und zwar durch ihre deutschen Kolleginnen.
00:18:06
Denn in Murats Heimat Bremen wird seit zwei Monaten gegen ihn ermittelt, wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
00:18:14
Weil Seljuks Bruder den Beamten am Flughafen erklärt hatte, dass er die ausstehende Geldstrafe nicht zahlen werde und dass die Behörden Murat und Seljuks auf keinen Fall ausreisen lassen sollten, weil sie auf dem Weg nach Afghanistan seien, um dort zu kämpfen.
00:18:29
Diese Aussage hatte dazu geführt, dass Murat und Seljuks Umfeld befragt wurde und sich tatsächlich einige vorstellen konnten, dass die beiden sich den Taliban hatten anschließen wollen.
00:18:38
Der Terrorgruppe, die zu der Zeit weite Teile Afghanistans beherrscht und mit dem Terrornetzwerk Al-Qaida verbündet ist, das für die Anschläge auf New York verantwortlich war und ihre Basis in Afghanistan hatten.
00:18:50
Auch Murats Mutter Rabie hatte ihren Sohn in ihrer Angst und Verzweiflung belastet.
00:18:55
Sie erzählte den Behörden, dass Murat sich in letzter Zeit verändert habe, einen Bart hatte wachsen lassen und möglicherweise von einem Vorbeter in der Moschee beeinflusst worden war.
00:19:05
Nach der Befragung durch die Amerikaner wird Murat zurück in seine Zelle gebracht.
00:19:09
Dort bleibt er ein paar Tage, bis es wieder weitergeht.
00:19:12
In Ketten und mit Sack über dem Kopf werden er und einige andere Männer zu einem Flughafen gebracht.
00:19:17
Es geht in die Türkei, denkt er.
00:19:19
Hauptsache weg hier.
00:19:20
Dann wird er in ein Flugzeug getrieben.
00:19:23
Setzt euch hin, ihr Motherfucker, schreit jemand.
00:19:26
Murat fällt auf den Boden.
00:19:27
Er spürt einen Schlag gegen den Kopf und Tritte in den Bauch.
00:19:30
Dann wird er angekettet und die Motoren heulen auf.
00:19:35
Während des Flugs prasseln immer wieder Schläge auf Murat hinab.
00:19:38
Mit Fäusten, Gewehrkolben und Knüppeln durch lachende Soldaten, die ihn als Terroristen beschimpfen.
00:19:43
Dem 19-Jährigen wird jetzt zum ersten Mal bewusst, dass dies auch die letzte Station in seinem Leben sein könnte.
00:19:49
Würde dann jemand seiner Familie sagen, wie er gestorben war und was ihm angetan wurde?
00:19:54
Bei der Ankunft vernimmt Murat Geschrei und helle Blitze.
00:19:58
Er und die anderen Gefangenen werden offenbar fotografiert.
00:20:01
Sie waren nicht in der Türkei angekommen, sondern in einem US-Geheimgefängnis in Kandahar, Afghanistan.
00:20:08
Mit über 20 anderen Gefangenen wird Murat in eine Art Bretterverschlag gebracht.
00:20:14
Durch einen Schlag auf den Kopf geht er dort zu Boden.
00:20:16
Nicht bewegen, schreit ihn einer der Soldaten an und Murat erstarrt.
00:20:21
Bis zum Morgen verharrt er in dieser Position und hat das Gefühl zu erfrieren.
00:20:25
Dann findet sein erstes Verhör in dem neuen Gefängnis statt.
00:20:28
Dazu wird er in Handschellen und Fußketten in ein Zelt gebracht, in dem ihm mehrere Offiziere gegenüber sitzen.
00:20:34
Weißt du, wo Osama ist?
00:20:36
Nord-südwestlich vom Gang ist?
00:20:39
Gehörst du zu Al-Qaida? Gehörst du zu den Taliban?
00:20:44
Nein, lautet Murats Antwort auf alle Fragen und mit jedem Nein fängt er sich einen neuen Schlag ins Gesicht.
00:20:50
Dann fragt ein Mann plötzlich nach einem Namen, den Murat tatsächlich kennt.
00:20:54
Ein Schulfreund aus Bremen. Er nennt sogar seine Telefonnummer.
00:20:58
Und dann noch einen zweiten Namen, den Murat kennt.
00:21:00
Von einem Freund aus der Moschee. Auch seine Nummer liest der Soldat vor.
00:21:04
Woher hat er diese Nummern und Namen? fragt sich Murat.
00:21:07
Du hast Geld von der Bremer Bank abgeholt. Warum? fragt der Vernehmende.
00:21:11
Woher kennt er die Bank? Murat hatte nicht mal seine EC-Karte mit nach Pakistan genommen.
00:21:16
Schnell, Antwort, ruft der Soldat.
00:21:19
Für ein Ticket nach Pakistan und wieder zurück, antwortet Murat.
00:21:22
Wer ist Seljuk Bilgin?
00:21:24
Mein Freund, mit dem ich nach Pakistan wollte, aber er ist dann doch nicht mitgekommen.
00:21:28
Die Fragen gehen immer weiter. Genauso wie die Schläge.
00:21:31
Irgendwann ist Murat bewusstlos.
00:21:33
Als er wieder zu sich kommt, liegt er bei den anderen Gefangenen.
00:21:36
In den nächsten Tagen wird Murat immer wieder befragt.
00:21:40
Bei einem der Verhöre soll er sich hinsetzen und die Beine ausstrecken.
00:21:43
Zwei Soldaten halten ihn an den Füßen fest, zwei andere drücken seine Schultern auf den Boden.
00:21:49
So, du bist also kein Terrorist? fragt einer.
00:21:51
Heute werden wir das herausfinden, erklärt ein anderer.
00:21:54
Daraufhin sieht Murat, wie der Mann, der über ihm steht, zwei Bügel aneinander reibt.
00:21:58
Sie sehen aus wie die Geräte bei einer Herzmassage.
00:22:01
Dann der erste Schlag.
00:22:03
Strom durchfährt Murats ganzen Körper.
00:22:06
Es sind Elektroschocks.
00:22:07
Murat schreit vor Schmerz.
00:22:09
Er füllt die Wärme, Schläge, Krämpfe, überall.
00:22:12
Immer wieder hält der Soldat die Elektronen an seine Füße, fragt, hast du es dir anders überlegt?
00:22:17
Oder, na, wie ist das?
00:22:20
Irgendwann hört Murat nicht mehr, was er gefragt wird.
00:22:23
Entweder werde ich jetzt ohnmächtig oder ich sterbe, denkt er.
00:22:27
An anderen Tagen gibt es neue Versuche, ihn zu einem Geständnis zu bringen.
00:22:31
Zum Beispiel, indem er mit dem Kopf immer wieder unter Wasser gedrückt und gleichzeitig in den Bauch geschlagen wird.
00:22:36
Oder, indem er tagelang mit einer Kette an einem Haken aufgehängt wird, sodass seine Füße den Boden nicht mehr berühren.
00:22:43
Es ist der 2. Februar 2002 und damit zwei Monate, nachdem Murat festgenommen wurde, als er wieder in ein Zelt geführt wird.
00:22:51
Doch anstatt dort befragt und gefoltert zu werden, werden ihm Bart und Haare abrasiert.
00:22:55
Außerdem kriegt er einen neuen Overall.
00:22:59
Ketten werden angelegt, aber anstelle eines Sacks über den Kopf bekommt er diesmal Ohrenschützer, eine Gesichtsmaske, Scheuklappen und eine mit schwarzem Plastik abgedichtete Taucherbrille aufgesetzt.
00:23:09
So kommt er mit anderen Gefangenen in ein großes Flugzeug, in dem er so fest am Boden angekettet wird, dass er sich nicht bewegen kann.
00:23:17
27 Stunden dauert der Flug, der direkt in die Hölle führt.
00:23:21
Denn wenn Murat gedacht hat, dass die Gefängnisse in Pakistan und Afghanistan grausam waren, dann deshalb, weil er sein neues Zuhause noch nicht kennengelernt hatte.
00:23:29
Das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba.
00:23:32
Angekommen kriegt Murat eine Nummer.
00:23:36
Er ist jetzt die 061.
00:23:37
Der Soldat, der ihm das Armband mit der Zahl anlegt, fragt ihn, weißt du, was die Deutschen mit den Juden gemacht haben?
00:23:43
Genau das machen wir jetzt mit euch.
00:23:46
Murat wird vorbeigeführt an einem Labyrinth aus Maschendrahtzäunen.
00:23:50
Es sind Käfige, in denen Gefangene in orangefarbenen Overalls auf dem Boden sitzen.
00:23:54
Auch Murat kommt in einen 1,80 x 2 x 2 Meter großen Käfig, in dem zwei Eimer stehen und eine dünne Schaumstoffmatratze mit einer Decke.
00:24:04
Man nennt das nicht mal Zelle.
00:24:07
Nee, die nennen das da Käfige.
00:24:08
Und das sieht auch aus wie ein Käfig.
00:24:11
Also alles aus Maschendrahtzaun und nur oben ist sozusagen so ein dünnes Dach quasi drauf.
00:24:20
Aber es ist einfach draußen.
00:24:22
Ja, wie so Hamsterkäfige irgendwie.
00:24:25
Mit der Decke darf man sich zwar nachts zudecken, aber nur die Beine.
00:24:30
Das ist eine der vielen Regeln, die in diesem Lager herrschen.
00:24:33
Man darf auch nicht auf der Seite liegen, sondern nur auf dem Rücken.
00:24:36
Man darf im Käfig nicht aufstehen und herumlaufen, sondern nur sitzen.
00:24:39
Nachts muss man liegen.
00:24:41
Der Maschendraht darf nicht berührt werden.
00:24:43
Man darf nicht sprechen, nicht singen, summen oder etwas mit dem Finger in den Sand malen.
00:24:47
Dass vieles davon verboten ist, erfährt Murat schon in der ersten Nacht.
00:24:52
Denn da bekommt er Besuch von der IRF, der Immediate Reaction Force.
00:24:57
Eine Einheit von mehreren Soldaten in voller Schutzmontur, bewaffnet mit Stiefeln und Knüppeln.
00:25:02
Bevor sie in seine Zelle kommen, sprühen sie ihn mit Pfefferspray, um ihn kampfunfähig zu machen.
00:25:07
Dann stürmen sie den Käfig und fangen an zu prügeln.
00:25:10
Sie kommen von da an bei Tag und bei Nacht.
00:25:13
Und wenn sie nachts nicht gerade lautstark Gefangene verletzen,
00:25:16
dann schlagen sie mit ihren Knüppeln gegen den Maschendraht
00:25:18
oder spielen laut die US-amerikanische Hymne oder Rockmusik,
00:25:22
damit an Schlaf nicht zu denken ist.
00:25:24
Während Murat die Folter und den Schmerz aushält,
00:25:29
ist seine Mutter Rabie in Deutschland auf der verzweifelten Suche nach Hilfe.
00:25:32
Nachdem sie sich beim Roten Kreuz, Amnesty International,
00:25:36
der Evangelischen Kirche und bei Außenminister Joschka Fischer höchstpersönlich gemeldet hat,
00:25:40
steht sie im Frühjahr 2002 in der Kanzlei von Menschenrechtsanwalt Bernhard Docke.
00:25:44
Ihn versucht die türkische Hausfrau mit dem energischen,
00:25:47
aber herzlichen Auftreten davon zu überzeugen,
00:25:49
ihr zu helfen, ihren Sohn aus Guantanamo zu befreien.
00:25:54
Vor allem, als klar ist, dass die deutschen Behörden von Murats Gefährlichkeit gar nicht überzeugt sind.
00:25:59
Zumindest so wenig, dass der Generalbundesanwalt ablehnt,
00:26:02
das Bremer Ermittlungsverfahren zu übernehmen,
00:26:04
mit der Begründung,
00:26:05
es wurde kein einstiegiges Beweismaterial gefunden,
00:26:08
das ein Verfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung rechtfertigt.
00:26:12
Docke versucht alles, um an Informationen zu seinem neuen Mandanten zu kommen,
00:26:17
doch das stellt sich als schwerer heraus als gedacht.
00:26:19
Aus Verzweiflung meldet er sich im Mai 2002 selbst bei Joschka Fischer.
00:26:25
In Guantanamo gehen derweil die Verhöre weiter.
00:26:51
Mit genau denselben Fragen wie schon in Pakistan und Afghanistan.
00:26:54
Und immer wieder hört Murat diesen einen Satz.
00:26:57
Sag uns, dass du zu Al-Qaida gehörst, dann lassen wir dich gehen.
00:27:00
Murat aber bleibt stumm.
00:27:02
Auch als hier immer neue Tricks angewandt werden.
00:27:05
Einmal zum Beispiel stehen plötzlich drei Frauen im Verhörzimmer.
00:27:08
Zwei davon tragen nur knappe Höschen und Tops.
00:27:11
Sofort richtet Murat seinen Blick auf den Boden.
00:27:14
Seine Religion schreibt ihm vor, andere Frauen nicht anzugucken, wenn es zu vermeiden ist.
00:27:18
Doch dann geht eine der beiden leicht bekleideten Frauen um ihn herum,
00:27:21
fasst ihn von hinten unter sein Oberteil und streichelt ihn.
00:27:25
Als sie anfängt zu stöhnen, ruft Murat Stopp, hör auf.
00:27:29
Aber sie hört nicht auf, also reißt Murat seinen Kopf nach hinten und trifft sie damit.
00:27:35
Daraufhin springt die Tür auf und ein IRF-Team stürzt sich auf ihn.
00:27:38
Als Strafe muss Murat in den Isolationshaft.
00:27:41
Dafür kommt er in einen Container, dessen Wände mit geriffeltem Bodenblech verstärkt sind.
00:27:46
In dieser Zelle gibt es keine Matratze, nur eine in den Boden eingelassene Toilette und ein Wasserspender.
00:27:51
Sobald die Tür zu ist, geht das Licht aus und die Klimaanlage an.
00:27:55
Bei seinem ersten Mal musste Murat einen ganzen Monat im Kühlschrank bleiben, wie er den Container anfangs nennt.
00:28:02
Bei seinen späteren Aufenthalten dort wird darin aber auch mal die Heizung angemacht,
00:28:06
dann wird es zur Sauna oder die Sauerstoffzufuhr abgestellt, bis die Gefangenen das Bewusstsein verlieren.
00:28:12
Am 23. September 2002 kommen schließlich zwei Mitarbeiter des BND
00:28:17
und einer vom Verfassungsschutz nach Guantanamo, um mit Murat zu sprechen.
00:28:20
Endlich Hoffnung.
00:28:22
Doch schon nach der Begrüßung der drei Männer ist klar, dass sie nicht da sind, um ihn abzuholen.
00:28:27
Stattdessen stellen auch sie ihm Fragen.
00:28:29
Denken sie, sie sind besser als andere Moslems?
00:28:32
Hassen sie nicht religiöse Menschen?
00:28:34
Sie fragen ihn auch explizit nach Seljuk und ob Murat ihn für gefährlich halte.
00:28:39
Jetzt erfährt er endlich, dass Seljuks Bruder den deutschen Grenzschutzbeamten erzählt hatte,
00:28:44
sie hätten vorgehabt, nach Afghanistan zu reisen, um dort zu kämpfen.
00:28:47
Murat ist geschockt.
00:28:49
Ihm wird klar, warum Seljuk nicht nachgekommen war und warum man hier so viel über ihn wusste.
00:28:53
Murat erklärt den Deutschen, dass Seljuks Bruder dies gesagt haben muss, um sie aufzuhalten.
00:28:58
Genauso wie seine Mutter ihn aufgehalten hätte, wenn sie gewusst hätte, dass er nach Pakistan wollte.
00:29:02
Eigentlich ist es aber auch egal, denn Seljuks Bruder hatte seine Aussage längst zurückgenommen.
00:29:08
Aber das erzählen die Deutschen Murat nicht.
00:29:10
Sie konfrontieren ihn stattdessen damit, dass zwei Jungs aus seiner Berufsschule ausgesagt hätten,
00:29:15
er sei mit einem großen Turban in der Schule herumgelaufen und habe erzählt, er wolle Taliban-Kämpfer werden.
00:29:20
Murat versucht den Beamten zu erklären, dass das zwei Mitschüler sind, mit denen er schon lange Stress hat.
00:29:25
Ich war nie mit Turban in der Schule und ich habe sicher nicht gesagt, ich will Taliban-Kämpfer werden, versichert er.
00:29:30
Nach dem Besuch der deutschen Beamten halten diese in ihren Berichten fest, dass die USA die Unschuld von Murat Kurnas als erwiesen ansieht und er in etwa sechs bis acht Wochen entlassen werde.
00:29:41
Ein Monat später stellt die Bremer Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen ihn vorläufig ein.
00:29:47
Doch auch wenn man nichts gegen Murat in der Hand hat, möchte man ihn in Deutschland offenbar nicht wiederhaben.
00:29:52
Ende Oktober 2002 wird bei der Präsidentenrunde im Kanzleramt unter der Leitung von Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier nämlich entschieden,
00:30:00
dass Murat im Falle einer Freilassung nicht nach Deutschland, sondern in die Türkei abgeschoben werden soll.
00:30:06
Ungefähr zur selben Zeit übernimmt ein neuer General das Kommando in Guantanamo und mit ihm kommen noch härtere Regeln dazu.
00:30:13
Eine nennt sich beispielsweise Operation Sandmännchen.
00:30:16
Das bedeutet für die Gefangenen, dass sie alle zwei Stunden in eine neue Zelle verlegt werden und deshalb nicht länger als höchstens eineinhalb Stunden am Stück schlafen können.
00:30:25
Und verlegt bedeutet durch ein IRF-Team in die nächste Zelle geprügelt zu werden.
00:30:30
Mittlerweile ist Murat übrigens in einer richtigen Zelle untergebracht und nicht mehr in diesem Maschendrahtkäfig.
00:30:36
Erst nach drei Wochen hören sie mit der Operation auf.
00:30:39
Wahrscheinlich, weil es den Soldaten zu anstrengend ist, Murat zu tragen, weil der mittlerweile nicht mehr in der Lage ist, selbst zu gehen.
00:30:45
Nachdem man in Deutschland entschieden hatte, dass Murat nicht zurückkommen darf, wird er also nicht nach sechs Wochen entlassen.
00:30:52
Stattdessen verbringt er in den nächsten zwei Jahren sehr viel Zeit in Isolationshaft.
00:30:57
Ende Juni 2004 entscheidet der US-Supreme-Court dann, dass alle Gefangenen in Guantanamo das Recht haben, bei US-Gerichten Klage gegen ihre Inhaftierung einzureichen.
00:31:06
Als Rabi und ihr Anwalt davon hören, werden sie sofort aktiv.
00:31:10
Sie reisen nach Washington und reichen Klage ein gegen George W. Bush.
00:31:15
Sie erklären, dass Murats Inhaftierung eine Verletzung des amerikanischen Verfassungsrechts, der Genfer Konvention und des übrigen Völkerrechts darstelle.
00:31:22
Und sie und 63 andere Klägerinnen haben Erfolg.
00:31:26
Am 31. Januar 2005 urteilt die US-Bundesrichterin Joyce Hensgreen, dass die Inhaftierungen in Guantanamo gegen die US-Verfassung verstoßen.
00:31:36
In der Urteilsbegründung wird Murats Fall sogar hervorgehoben, da gegen ihn, auch nach Einschätzung der deutschen Regierung, keine brauchbaren Beweise vorliegen.
00:31:43
Doch auch jetzt bemüht sich die deutsche Regierung nicht um die Wiederaufnahme von Murat.
00:31:48
Und weil die Türkei sich erst recht nicht für ihn interessiert, bleibt der mittlerweile 23-Jährige weiterhin in Guantanamo.
00:31:54
23 und der ist mit 19 los.
00:31:57
Ja. Und die Amerikaner haben schon 2002 festgestellt, dass er unschuldig dort ist.
00:32:03
Und jetzt ist es schon 2005.
00:32:06
Dann kommt im Herbst Angela Merkel an die Spitze der deutschen Politik.
00:32:10
Rabi und Docke melden sich bei ihr, erinnern die neue Bundeskanzlerin daran,
00:32:14
dass Murat seit nunmehr vier Jahren unter menschenunwürdigen Bedingungen in Guantanamo festgehalten wird.
00:32:20
Ich habe das Auswärtige Amt in der Vergangenheit mehrfach gebeten gegenüber der USA auf ein faires Verfahren,
00:32:26
beziehungsweise für den Fall, dass keine Anklage erhoben werden soll, auf Freilassung zu drängen.
00:32:30
Andere europäische Länder haben sich für ihre Staatsangehörigen in Guantanamo eingesetzt und eine Freilassung erreicht.
00:32:36
Die Worte scheinen zu wirken, denn nur einen Monat später setzt sich Angela Merkel bei ihrem Besuch im Weißen Haus für die Freilassung von Murat ein.
00:32:43
Auch die Präsidentenrunde im Bundeskanzleramt entscheidet sich jetzt endlich dafür, eine Einreise von Murat zu akzeptieren.
00:32:50
Doch es dauert noch mehr als ein halbes Jahr, bis Murat ein Paket zugeworfen bekommt.
00:32:55
Darin ist eine Jeans, Turnschuhe, ein weißes T-Shirt und eine Jeansjacke.
00:32:59
Anziehen, schreit einer der Soldaten.
00:33:02
Murat ist perplex.
00:33:03
Sollte er nun tatsächlich freikommen?
00:33:05
Er hatte hier schon alles erlebt.
00:33:07
Gefangene, die zu einem Flugzeug gebracht wurden, denen man gesagt hatte, dass man sie nach Hause bringt,
00:33:11
nur um sie dann zurück in ihre Käfige zu stecken.
00:33:15
Als Murat sich schließlich angezogen hat, wird er gefesselt und mit der verdunkelten Brille, den Ohrenschützern und der Maske ins Flugzeug geführt.
00:33:22
Er hört trotz der Ohrenschützer, wie die Motoren angehen und die Maschine mit ihm als einzigen Passagier startet.
00:33:28
Circa elf Stunden später landet Murat auf dem US-amerikanischen Militärstützpunkt in Ramstein.
00:33:35
Als er in ein Gebäude geführt wird und von seinen Fesseln, seinen Ohrenschützern und der Brille befreit wird, steht sie vor ihm.
00:33:41
Seine Mutter Rabie.
00:33:42
Und endlich gibt es die Umarmung, die Murat sich schon vor fünf Jahren so sehr gewünscht hatte.
00:33:48
Und weiß man, wie es ihm heute geht?
00:33:52
Ja, ich habe ihn ja angefragt, ob er mit uns auch über den Fall, beziehungsweise vor allem über die Folgen der Folter sprechen möchte.
00:34:01
Und das wollte er nicht. Und ich habe ja auch sein Buch gelesen, das heißt Fünf Jahre meines Lebens, wo ich übrigens die meisten Infos für diesen Fall herhabe.
00:34:10
Und ich muss sagen, er schreibt sehr wenig über seine eigenen Gefühle, so gut wie gar nicht.
00:34:16
Deswegen konnte ich das auch nicht erzählen.
00:34:18
Und auch in anderen Interviews, wenn man ihn fragt, wie es ihm psychisch geht oder so, da ist immer eine ganz kurze, schnelle Antwort und zwar gut.
00:34:29
Und deswegen kann ich dir jetzt gar nicht sagen, wie es ihm geht.
00:34:32
Aber ich weiß zum Beispiel, dass er sich für die Freilassung eines Inhaftierten in Guantanamo eingesetzt hat,
00:34:38
dass er jetzt auch so Vorträge im Auftrag von Menschenrechtsorganisationen hält und dass er als Sozialarbeiter in Bremen arbeitet
00:34:46
und sich da quasi um Geflüchtete kümmert und um ihre Integration.
00:34:50
Also da staunt man doch wirklich immer wieder, was eine kleine Lüge für Auswirkungen haben kann am Ende.
00:34:58
Und es war ja nicht mal seine eigene.
00:35:00
Ja, aber so eine Lüge darfst du dir halt wirklich nicht ausdenken, kurz nach den Anschlägen auf das World Trade Center.
00:35:08
Warum wurde der eigentlich angehalten auf dem Weg zurück?
00:35:12
Genau, das habe ich mich nämlich auch gefragt, weil dieser Polizist, dieser pakistanische Polizist an diesem Checkpoint,
00:35:19
der konnte ja gar nicht wissen, wer Murat Kurnatz ist und dass der in diesem Bus sitzt,
00:35:23
weil das war so ein ganz normaler Bus, der zum Flughafen fährt.
00:35:27
Aber das denkt Murat, dass es quasi so war, dass er mit seiner relativ hellen Haut,
00:35:33
dass er halt irgendwie herausgestochen hat aus der Menge in diesem Bus und der eben deshalb für einen Ausländer gehalten wurde.
00:35:41
Und offenbar, so erzählt er das in seinem Buch, wussten pakistanische Polizisten,
00:35:46
dass man mit Ausländern Geld verdienen konnte, wenn man sie an US-Soldaten ausliefert sozusagen.
00:35:53
Ja, und als er dann irgendwann in Guantanamo ist, spricht er auch die Soldaten darauf an
00:35:57
und sagt quasi, ich weiß, dass ihr ein Kopfgeld für mich bezahlt habt.
00:36:00
Und da geben die das auch ihm gegenüber zu und sagen, sie haben 3000 US-Dollar dafür bezahlt.
00:36:05
Ja, und so ist er überhaupt erst sozusagen da reingeraten.
00:36:10
Und dann war es quasi Glück, sage ich jetzt mal, für die US-Soldaten,
00:36:13
dass wirklich irgendwas gegen ihn vorlag in diese Richtung.
00:36:17
Aber es war halt auch wirklich direkt nach den Anstiegens des 11. September.
00:36:21
Also es war halt auch wirklich so, gerade der Krieg in Afghanistan ist losgegangen
00:36:27
und dann kommt jemand, also ich muss ja auch ehrlich sagen, dass ich, als ich das gehört habe von diesem Fall,
00:36:35
habe ich so gedacht, wie jetzt, der ist da nach, keine Ahnung, nach Pakistan oder Afghanistan oder so,
00:36:41
irgendwo hin, um den Koran zu lernen.
00:36:44
Und als ich das meinem Mann erzählt habe, hat er auch direkt gesagt, klar.
00:36:51
Und da dachte ich mir so, es ist ja einfach nur scheiße, dass man direkt solche Vorurteile hat.
00:36:56
Dass wenn jemand mit einem langen Bart, der sich jetzt seit ein paar Monaten sehr für den Koran interessiert
00:37:03
und öfters in die Moschee geht, wenn der kurz nach den Anschlägen irgendwie in ein Land reist,
00:37:08
was in der Nähe von Afghanistan ist, dass es ja dann wahrscheinlich eher nahe liegt,
00:37:11
dass er für die Taliban kämpfen will, als dass er da wirklich den Koran lernen will.
00:37:17
Und das ist ja jetzt ein Extremfall von Rassismus, was der erlebt hat.
00:37:21
Aber so ging es natürlich auch ganz vielen Leuten, die scheinbar muslimischen Glaubens waren
00:37:28
oder irgendwie in das optische Bild von TerroristInnen gepasst haben in der Zeit.
00:37:33
Und natürlich auch noch heute.
00:37:34
Ja, was ich mich bei dem Fall halt die ganze Zeit gefragt habe, ist, wie das rechtlich möglich ist,
00:37:40
dass so ein Land wie die USA die da so behandelt.
00:37:45
Und die Antwort darauf heißt, ungesetzlicher Kombatant.
00:37:48
Und was das ist, erkläre ich jetzt in meinem AHA.
00:37:51
Also Murat konnte in Guantanamo festgehalten und auch gefoltert werden,
00:37:56
weil er eben als sogenannter ungesetzlicher Kombatant eingestuft wurde.
00:37:59
Und ein Kombatant ist erstmal ein Kämpfer, also beispielsweise ein Soldat,
00:38:04
der im Kriegsrecht andere Rechte hat, als jetzt beispielsweise wir als ZivilistInnen.
00:38:09
Denn die Kombatanten, die dürfen im Krieg ihre Gegner töten
00:38:13
und können dafür dann auch nicht im Nachhinein irgendwie strafrechtlich verfolgt werden,
00:38:16
was ja bei uns anders wäre.
00:38:19
Und wenn sich zum Beispiel ein Kombatant kampflos ergibt,
00:38:23
dann darf der auch nicht von anderen irgendwie bekämpft werden oder, ja, angeschossen werden,
00:38:27
sondern nur entwaffnet und gefangen genommen.
00:38:31
In dem Fall ist so ein Kombatant dann auch kein Strafgefangener, sondern ein Kriegsgefangener.
00:38:36
Der untersteht dann zwar schon dem Gegnerstaat, der ist aber dafür verantwortlich,
00:38:41
dass man den ordentlich behandelt und auch für die Sicherheit von dieser Person.
00:38:45
Also man darf die nicht foltern, nicht erniedrigen.
00:38:48
Da muss alles hygienisch einwandfrei sein in den Gefängnissen und so weiter.
00:38:53
Also das ist alles so im Genfer Abkommen geregelt.
00:38:56
Ja, und wie häufig passiert das?
00:38:58
Also ich habe noch nie jemandem sagen hören, ja, ich war Kriegsgefangener und das war alles okay dann.
00:39:05
Ja, ich glaube, das kann keiner unterschreiben, dass man da eine gute Behandlung bekommen hat.
00:39:12
Bei diesen ungesetzlichen Kombatanten handelt es sich aber um Personen, die gegen das Kriegsrecht verstoßen.
00:39:19
Also die zum Beispiel ohne ihre Uniform rumlaufen und sich dann nicht zu erkennen geben.
00:39:24
Das ist ja sozusagen dann einfach unfair, eine unfaire Kriegsführung sozusagen.
00:39:28
Und eingeführt wurde der Begriff vom US Supreme Court während des Zweiten Weltkriegs
00:39:33
und zwar als Reaktion auf die deutsche Operation Pastorius.
00:39:36
Und dabei sollten deutsche Agenten mehrere Anschläge auf New York verüben.
00:39:41
Und weil aber einer von diesen Agenten aussteigen wollte und die anderen dann verraten hat,
00:39:47
wurde die Gruppe geschnappt, bevor sie irgendwelche Anschläge überhaupt verüben konnten.
00:39:51
Trotzdem stellte die USA die Männer dann vor ein Militärtribunal mit sieben Richtern,
00:39:56
die aber alle gar keine Richter waren, also keine Juristen, sondern einfach Generäle.
00:40:01
Und ließ die meisten von ihnen noch am Abend der Verhandlung töten.
00:40:04
Die Anwälte gingen dann natürlich in Revision und was weiß ich.
00:40:09
Aber der Supreme Court, also der oberste Gerichtshof, fand das alles okay so
00:40:14
und betitelte die Männer eben als ungesetzliche Kombatanten.
00:40:17
Also führte somit den Begriff ein.
00:40:19
Und damit wurde das Urteil rechtskräftig.
00:40:22
Und später, im sogenannten Krieg gegen den Terror, nach dem 11. September,
00:40:26
wurde dieser Urteilsspruch dann sozusagen als Präzedenz herangezogen.
00:40:30
Und nach dem 11. September wurde dieser Begriff dann erweitert.
00:40:34
Und die USA hat es sich dann quasi so hingelegt,
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dass dieser Begriff für alle Personen gilt, die im Verdacht standen,
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der Al-Qaida oder den Taliban anzugehören.
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Und somit konnten die denen dann das Recht auf diesen Kriegsgefangenenstatus
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und auch ein Recht auf den Rechtsbeistand wegnehmen.
00:40:53
Und bis heute ist diese Sonderkategorie des ungesetzlichen Kombatanten
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völkerrechtlich nicht anerkannt, weil eine Behandlung wie in Guantanamo
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natürlich gegen Völkerrecht verstößt.
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Trotzdem sitzen da heute noch 39 Menschen.
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Denn nach der Entscheidung von 2005, dass das alles nicht nur gegen die Genfer Konvention,
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sondern ja auch gegen die US-amerikanische Verfassung verstößt,
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hat die Regierung unter George W. Bush schnell den sogenannten Military Commissions Act eingeführt.
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Und seitdem ist eine unbegrenzte Haftdauer ohne Anklageerhebung oder Prozess
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für diese ungesetzlichen Kombatanten möglich.
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Und die inhaftierte Person hat auch keine Möglichkeit,
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dagegen irgendwie rechtlich vorzugehen.
00:41:32
Das ist so schlimm.
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Und deshalb wegen dieser Entscheidung sitzen da,
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obwohl ja heute nicht mal mehr Truppen in Afghanistan sind
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und man nicht mehr sagen kann, dass die irgendeinen Krieg gegen den Terror,
00:41:45
was auch immer das sein soll, führt,
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sind da halt dann jetzt noch Männer, die da teilweise seit 20 Jahren sitzen,
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ohne dass es eine Anklage irgendwie gegen die gab
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oder sich irgendjemand um die kümmert
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und ohne Aussicht auf Freilassung.
00:42:04
Und ehrlich gesagt,
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habe ich gedacht, dass das schon zu ist, Guantanamo.
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Ich habe nicht gewusst, dass da noch Leute,
00:42:11
also ich habe das gar nicht gedacht,
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dass da jetzt wirklich noch Inhaftierte sitzen.
00:42:15
Ja, ich wusste das auch nur von meiner Kuba-Rundreise,
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weil ich erst dachte, irgendwie würde ich mir Guantanamo gerne mal ansehen.
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Und dann dachte ich aber auch,
00:42:24
also jetzt eine Stadt vor allem wegen des Gefängnisses zu besuchen,
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ist auch irgendwie eine Art von Dark Tourism.
00:42:31
Aber Guantanamo ist halt ja irgendwie relativ bekannt.
00:42:34
Deswegen kommt einem das ja immer in den Kopf,
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wenn man an Kuba denkt.
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Es gibt aber ja auch noch dieses Abu Ghraib im Irak,
00:42:42
dieses US-Gefängnis.
00:42:43
Und da sind ja 2004 so Fotos an die Presse gekommen,
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die zeigen, wie diese Menschen da behandelt werden.
00:42:53
Also da gibt es doch auch dieses eine Bild,
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dieses bekannte Bild, wo dieser Mann auf so einer Kiste steht
00:43:01
und der hat irgendwie so eine komische Kopfbedeckung auf,
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die auch das Gesicht bedeckt
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und der an so Elektrokabeln angeschlossen ist.
00:43:11
Und ich habe mich dann da mal durchgeklickt bei Google,
00:43:14
wenn man Abu Ghraib eingibt.
00:43:15
Und da ist echt eins schlimmer als das andere.
00:43:18
Da gibt es auch so eins, wo so eine US-Soldatin,
00:43:22
also das sind alles US-SoldatInnen,
00:43:24
die sich da um die Leute kümmern, in Anführungszeichen,
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zu sehen ist, wie die einen Gefangenen quasi an der Leine hat,
00:43:31
wie so ein Hund.
00:43:32
Kennst du dieses Bild?
00:43:34
Ich zeige dir das mal, ja, damit du das mal siehst.
00:43:38
Oh Gott, das darf ich jetzt wirklich nicht der falschen Person schicken.
00:43:45
Also das Schlimmste finde ich auch noch,
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dass diese Soldaten und SoldatInnen ja dann auch noch in diesem Fall
00:43:53
da halt posieren, ja.
00:43:55
Und da irgendwelche Andenkensfotos schießen.
00:43:59
Also es gibt auch noch eins von einer Soldatin,
00:44:03
wo sie wirklich neben einem Toten mit Daumen hoch posiert.
00:44:08
Ach nee, ich denke mir so, nein, ey.
00:44:10
Aber irgendwo muss man ja auch sagen,
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zum Glück sind diese Fotos überhaupt gemacht worden, ne?
00:44:15
Weil ansonsten wäre das ja wahrscheinlich nie an die Öffentlichkeit gekommen.
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Und so hat man jetzt wenigstens mal diese Verantwortlichen da zur Rechenschaft ziehen können.
00:44:24
Ja, zumindest die, die irgendwie auf den Fotos auf jeden Fall drauf waren, ne?
00:44:29
Und da irgendwie mit in Verbindung gebracht wurden.
00:44:31
Die kamen dann teilweise auch für eine Zeit ins Gefängnis.
00:44:35
Aber eben, wenn man in solchen Foltergefängnissen,
00:44:39
wenn es da keine Aufnahmen gibt oder gemacht werden,
00:44:42
dann kriegt das ja auch meist niemand mit, was da passiert.
00:44:45
Es gibt doch auch dieses schwarze Loch, dieses Militärgefängnis in Syrien.
00:44:51
Und da sollen seit 2011 tausende Menschen zu Tode gefoltert und exekutiert worden sein.
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Und zwar eben solche, die dem Assad-Regime kritisch gegenüberstehen.
00:45:03
Und die Gefangenen, die überlebt haben da, berichten halt,
00:45:07
dass die in vollkommener Stille und Finsternis regelrecht gehalten werden,
00:45:11
muss man ja schon sagen.
00:45:13
Und immer wieder mit Elektroschocks gefoltert werden
00:45:16
und ewig lang auf dem Boden knien müssen bei Kälte und Vergewaltigung
00:45:22
und ja, den Finger- und Fußnägel gezogen werden.
00:45:27
Ja, das ist einfach.
00:45:28
Und die verbrüht werden und so, ja.
00:45:30
Also, was ich mir dann auch immer denke, ist, das hat ja nie ein Ende.
00:45:34
Also, die Wunden, die dann heilen, da kommen wieder neue dazu.
00:45:38
Und das ist so schlimm.
00:45:41
Wo es ja auch erst 2019 zum ersten Mal Videos von gab,
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ist von diesen Lagern in Xinjiang.
00:45:47
Auf diesen Drohnenbildern sieht man hunderte gefesselte Menschen mit verbundenen Augen,
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die halt von so schwer bewaffneten Männern aus einem Zug geführt werden.
00:45:57
Und laut der UN soll China dort eine Million Menschen der muslimischen Minderheit der Uiguren
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gefangen halten und foltern.
00:46:06
So, und das findet Volkswagen offenbar immer ja noch nicht schlimm genug,
00:46:10
um sein Werk in der Region da zu schließen.
00:46:13
Und der Konzernchef sagt dann damals noch in einem Interview mit der BBC,
00:46:17
er weiß nichts von irgendwelchen Menschenrechtsverletzungen.
00:46:20
Das ist peinlich.
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Also, das ist halt wirklich der größte Witz, ja.
00:46:24
Und da gibt es halt Menschen, die da auch rausgekommen sind und die berichten unter anderem von der
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sogenannten Tiger Bank, wo Gefangene stundenlang in so extrem schmerzhaften Positionen auf einem
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Metallstuhl festgebunden werden und dann da, ja, ewig lang verharren müssen.
00:46:43
Und das ist jetzt nur eine Foltermethode, die die internationale Gesellschaft für Menschenrechte auf ihrer Website gesammelt hat,
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die in chinesischen Gefängnissen praktiziert werden.
00:46:53
Und mehr wollen wir euch hier echt ersparen, weil bei dieser Liste wird einem wirklich schlecht und man denkt, man ist irgendwie im Mittelalter angekommen.
00:47:02
Ja, ich brauche eine Pause.
00:47:06
Die Triggerwarnung zu meinem Fall findet ihr wie immer in der folgenden Beschreibung und ich sage es gleich vorweg,
00:47:14
es wird diesmal aus Gründen recht explizit.
00:47:20
Der 28. Mai im Jahr 2016 ist gerade erst angebrochen.
00:47:24
Kurz nach Mitternacht ruht der Dortmund-Ems-Kanal wie auch die meisten LüdinghauserInnen.
00:47:31
Dass der milde Frühling eigentlich schon ins Münsterland eingezogen ist, merkt man in diesen Stunden, wenn der Himmel noch schwarz ist, kaum.
00:47:38
Die drei Angler am Ufer hatten schon eine ganze Weile Schreie von der anderen Kanalseite vernommen,
00:47:44
doch hatten sie zunächst noch an Teenager gedacht, die sich in Waldnähe lautstark volllaufen lassen.
00:47:50
Jetzt aber können sie es deutlicher hören.
00:47:53
Es sind Hilfeschreie, unterlegt mit stumpfen Schlaggeräuschen.
00:47:57
Die drei beschließen über die Brücke, über die sonst nur der Schienenverkehr läuft, in Richtung Schreie zu gehen.
00:48:02
Ihre Schritte hallen Blechern auf der Eisenkonstruktion.
00:48:06
Ihre Taschen und Stirnlampen leuchten ihnen den Weg in das angrenzende Waldgebiet, das im Dunkeln liegt.
00:48:12
Dann verstummen die Schlaggeräusche und nach einigen Sekunden bewegt sich jemand auf die drei zu.
00:48:18
Ein junger Mann.
00:48:19
Er ist blutüberströmend und schleppt sich mehr, als das er geht.
00:48:23
Einer der drei Angler wird diese Szene später als Bild wie aus einer Metzgerei beschreiben.
00:48:29
Wenige Tage zuvor.
00:48:33
Luise hatte ihn offenbar auch für gut genug befunden, um nach Recht zu swipen.
00:48:37
17 Jahre, braune Haare, Aschbergerin, geht aufs Gymnasium und ist offenbar etwas heartbroken, wie Henrik erfährt,
00:48:45
denn Luise ist erst seit ein paar Tagen nicht mehr mit ihrem Freund zusammen.
00:48:49
Das findet der 19-Jährige nicht wirklich schlimm, denn an einer tiefen, längerfristigen Bindung sind offenbar beide wenig interessiert.
00:48:57
Nach dem Austauschen von einigen Belanglosigkeiten und einem Wechsel zu WhatsApp wird schnell klar, in welche Richtung das hier gehen wird.
00:49:04
Ob sie denn gerne Blase, will Henrik wissen.
00:49:08
Kommt drauf an, wie sehr ich die Person mag, antwortet Luise.
00:49:12
Ich werde dich lecken, bis du mich anschließt, gefickt zu werden, tippt Henrik.
00:49:17
Das werde ich, sendet Luise zurück.
00:49:21
Ich fühle mich wie eine von so Erotik-Hörbüchern, Alter.
00:49:26
Oh Gott, ich ahne Böses.
00:49:29
Danach geht es ausschließlich um das Einmaleins des Geschlechtsverkehrs.
00:49:34
Bockenficken, Anal, Quickies.
00:49:36
Henrik schickt ein Dickpic, Luise ein Foto von ihrem Gesicht, ihre Körpermaße und die Info, dass man in ihrem großen Bett in ihrem Kinderzimmer viel Platz zum, Zitat, Spaß haben hat.
00:49:47
Henrik ist super angetan von dem Gespräch.
00:49:51
Sehr detailliert wird sich darüber ausgetauscht, wer was wo, wie tief reinstecken will und wie hart oder nass sich was anfühlen wird, während Henrik sich einen runterholt.
00:50:00
Als er fertig ist, tippt er, ich glaube, wenn wir uns weiterhin so gut verstehen, landen wir schnell im Bett.
00:50:06
Luise antwortet, ich glaube es auch.
00:50:09
Scheint, als hätten sich da zwei gefunden, die gut zueinander passen.
00:50:12
Und so dauert es gerade mal zwei Tage, bis die beiden ein Treffen ausmachen.
00:50:17
In den zwei Tagen Vorspiel hat sich mittlerweile so viel Lust angestaut, die jetzt endlich raus will.
00:50:21
An einem Sonntag kommt Henrik gegen 15 Uhr am vereinbarten Treffpunkt mit seinem Auto an, in der Nähe von der Wohnung, in der Luise mit ihrer Mutter wohnt.
00:50:29
Der 19-Jährige finanziert sich das Auto von seinem Ausbildungsgehalt als angehender Landwirt.
00:50:34
Wie abgemacht, kommt Luise ihm mit dem Fahrrad entgegen.
00:50:38
Luise ist zwar nicht so ganz Henriks Typ, aber trotzdem wird schon am Parkplatz das erste Mal gegrabbelt und geknutscht.
00:50:44
Dann geht's ab in die Wohnung.
00:50:47
Luise hat heute Sturm frei.
00:50:48
Zunächst mal wird auf dem Balkon gequalmt.
00:50:51
Zungenküsse mischen sich mit kaltem Zigarettenrauch.
00:50:54
In ihrem Zimmer scheitert Luise dann den Fernseher an.
00:50:57
Allerdings wird dem nicht lange Aufmerksamkeit geschenkt.
00:51:00
Luise rutscht zu Henrik rüber, öffnet seine Hose.
00:51:03
Henrik zieht dafür Luise ihr Shirt und den BH aus.
00:51:06
Wie beim Chat angekündigt, befriedigt Luise Henrik erstmal oral.
00:51:10
Danach will er seinen Penis zwischen ihre Brüste reiben.
00:51:13
Luise will dafür Gleitcreme benutzen.
00:51:17
Es hat einen Grund, warum ich das alles so erzähle.
00:51:21
Ach, du meinst jetzt, ich dachte, als du gesagt hast mit dem Trigger,
00:51:26
oder das mit dem Explizit, dachte ich jetzt, du meinst nicht den Sex, sondern die Folter.
00:51:33
Nee, nee, auch den Sex.
00:51:34
Ich rede hier von den Gelüsten, dieser Teenager.
00:51:40
Okay, also bitte weiter, wenn das jetzt wichtig ist für den Fall.
00:51:44
Komm, ich will dich, sagt Luise danach und die beiden haben Sex.
00:51:49
Als sie fertig sind, setzen sie sich in die Küche.
00:51:52
Luise besorgt für Henrik ein Schnitzel von ihrer Oma.
00:51:55
Nach dem Essen hängen sie noch ab, sind am Handy und gehen kurz vor 18 Uhr noch im Regen zum nahegelegenen Spielplatz.
00:52:01
Sie unterhalten sich, als plötzlich ein Typ in Henriks Alter auftaucht.
00:52:05
Offenbar ein Freund von Luise.
00:52:06
Die will doch nichts von dir, merkst du das nicht?
00:52:10
Und irgendwie gehen komische Vibes von ihm aus.
00:52:12
Scheint, als würde es ihm nicht passen, hier auf die beiden getroffen zu sein.
00:52:17
Tatsächlicherweise will Henrik von Luise aber auch nicht mehr als Sex.
00:52:20
Henrik hatte nach dem Geschlechtsverkehr einen Freund von seinem Date erzählt.
00:52:24
Und als dieser via WhatsApp fragte, ob Luise, Zitat, klar geht,
00:52:28
antwortet Henrik, relativ unscharmant, dass er mehr Interesse an einer anderen habe,
00:52:33
Luise körperlich nicht so anziehend, aber dafür sehr offen fand und sie nicht unbedingt nochmal sehen muss.
00:52:39
Was heißt relativ unscharmant?
00:52:41
Willst du das Originalzitat?
00:52:45
Maddy ist aber geiler, war ein bisschen fett.
00:52:47
Ich glaube, ich mache nichts mit der, aber war sauwillig.
00:52:53
Also wirklich, ich konnte das nicht glauben, dass die so reden und auch so übereinander reden.
00:53:00
Was ist mit der Welt?
00:53:02
Naja, und weil Henrik Luise eben auch nicht so gut findet,
00:53:08
verzieht er sich dann auch schon kurze Zeit darauf.
00:53:11
Und lässt Luise mit ihrem Freund allein.
00:53:14
In den nächsten Tagen erinnern nur noch die Knutschflecke, die Luise ihm unbedingt machen wollte,
00:53:19
an das kleine Sexabenteuer.
00:53:21
Nicht einmal 24 Stunden vergehen, da chatten die beiden schon wieder miteinander
00:53:25
und sprechen über ein mögliches weiteres Treffen am Wochenende.
00:53:28
Henrik schlägt den Kanal als Treffpunkt vor.
00:53:31
Die nächsten Abende bestehen aus weiteren belanglosen WhatsApp-Nachrichten,
00:53:35
denn worauf auch dieses Treffen hinauslaufen soll, ist klar.
00:53:39
Henrik schreibt am Donnerstag, morgen Hai ficken, womit er meint, dass sie auch Joints zusammenrauchen werden.
00:53:46
Luise antwortet, yo.
00:53:50
Am Freitagabend macht sich Henrik also bereit für das Sexdate Nummer 2.
00:53:54
Luise verschiebt das Treffen zweimal um eine halbe Stunde nach hinten und bittet Henrik vorher noch bei McDonald's anzuhalten,
00:54:00
um was zu essen zu besorgen.
00:54:02
Um halb zehn Uhr abends treffen sich die beiden dann am Dortmund-Ems-Kanal in der Nähe der Eisenbahnbrücke.
00:54:07
Sie unterhalten sich und essen die mitgebrachten Burger, während aus Henriks Handy Musik dudelt.
00:54:12
Dann, nach einer Weile, kommen sich die beiden wieder näher und alles sieht danach aus, als würde jetzt der Sex-Part eingeläutet werden,
00:54:19
als Luise plötzlich etwas aus ihrer Jackentasche zieht.
00:54:23
Sie drückt auf eine kleine Dose und sprüht etwas direkt in Henriks Gesicht, das unfassbare Schmerzen bei ihm auslöst.
00:54:31
Kommt jetzt, hört er Luise rufen.
00:54:33
Und dann sind Henrik und Luise nicht mehr alleine.
00:54:36
Henrik, der immer noch mit Schmerzen in seinen Augen zu kämpfen hat, wird plötzlich von zwei maskierten Männern überfallen,
00:54:42
die aus dem Waldstück herausgeschossen kommen.
00:54:44
Was passiert hier?
00:54:45
Dann setzt es zwei heftige Schläge mit einem Schlagstock gegen seinen Kopf.
00:54:49
Aus Henriks Nase tropft Blut.
00:54:51
Er versucht irgendwie wegzurennen, schafft es sogar für einen Moment in die Nähe des Kanals,
00:54:55
doch kurz vor der Eisenbrücke holen ihn die beiden Maskierten ein.
00:54:59
Henrik wird herumgeschubst und Richtung Waldstück gezerrt.
00:55:01
Im Schutz der Bäume, sodass keiner die Truppe vom Kanal aus entdecken kann,
00:55:05
werden Kabelbinder ausgepackt und Henrik damit die Hände zusammengebunden.
00:55:09
Henrik hat absolut keine Ahnung, was das soll.
00:55:12
Er wird jetzt angewiesen, sich hinzuknien und den Oberkörper aufzurichten.
00:55:16
Panzertape wird über seinen Mund geklebt und ihm die Armbanduhr vom Handgelenk gerissen.
00:55:21
Dritte prasseln auf ihn ein.
00:55:22
Von allen Seiten, von allen dreien.
00:55:24
Und dann beginnt eine nicht enden wollende, qualvolle Prozedur.
00:55:28
Jemand schlägt mit dem Schlagstock gegen seine Beine und Arme.
00:55:31
Luise schneidet ihn seinem T-Shirt mit einem Cuttermesser auf und ritzt danach damit auf seine Haut.
00:55:37
Plötzlich spürt er einen heißen, stechenden Schmerz.
00:55:41
Luise hatte eine Eisdierdose kaputt gemacht, sie erhitzt und dann auf seine Haut gepresst, die darunter verbrennt.
00:55:46
Kurz danach tut sie das gleiche mit einer Zigarette.
00:55:49
Sie drückt sie auf seiner Schulter aus.
00:55:51
Du stehst doch auf heiße Sachen, sagt einer der Männer.
00:55:54
Henrik weiß nicht, was der damit meint.
00:55:56
Dann wird Erde auf ihn geworfen und die mitgebrachten Burger auf seinem Körper verschmiert.
00:56:01
Dann das Geräusch vom Aufräumen des Panzertapes.
00:56:04
Das wird diesmal so um Henriks Kopf gebunden, dass ihm Nase und Mund zugeklebt werden.
00:56:10
Für einen gefühlt ewig langen Moment bekommt Henrik keine Luft mehr, bis das Tape wieder abgerissen wird.
00:56:15
Henrik versucht sich mit Tritten zu wehren, woraufhin ihm auch die Füße mit Kabelbinder zusammengebunden werden.
00:56:20
Luise, wie von allen guten Geistern verlassen, tritt Henrik mit ihren Schuhen immer wieder zwischen die Beine und schreit,
00:56:27
wie viele Mädchen hast du schon vergewaltigt?
00:56:29
Ein erster Hinweis darauf, der einen Grund erahnen lässt, warum das hier gerade alles passiert.
00:56:36
Weiter spürt Henrik abwechselnd Schläge, Tritte und auch Schnitte auf seiner Haut.
00:56:40
Die drei gehen mit einer unverständlichen Aggression vor und Henriks Körper schmerzt.
00:56:45
Über etliche Minuten erstreckt sich eine scheinbar nicht enden wollende Tortur,
00:56:49
in der Henrik manchmal das Gefühl bekommt, gar nicht mehr richtig da zu sein.
00:56:53
Dann aber lassen sie von ihm ab und beide Männer ziehen plötzlich ihre Masken ab.
00:56:58
Henrik blickt in ein Gesicht, das er schon einmal gesehen hat.
00:57:02
Es ist der Freund von Luise vom Spielplatz.
00:57:04
Bitte hört endlich auf, fleht Henrik.
00:57:07
Ich kann dich nicht gehen lassen, du rennst sofort zur Polizei, sagt Luise.
00:57:11
Das hier muss zu Ende gebracht werden, sagt einer der Männer und drückt seine Hände um Henriks Hals,
00:57:16
doch lässt nach kurzer Zeit schon wieder von ihm ab.
00:57:19
Henrik soll sich jetzt wieder hinknien.
00:57:20
Sie schnüren Kabelbinder um seinen Hals und ziehen kräftig daran.
00:57:24
Ein Gefühl von Ohnmacht und Kotzreiz erfasst Henrik.
00:57:28
Dann lassen die drei wieder los.
00:57:30
Henriks Gürtel wird aus der Schlaufe gezogen und dann um seinen Hals gelegt.
00:57:34
Das Leder schneidet in seinen Hals.
00:57:36
Die beiden Typen ziehen von beiden Enden daran, während Luise seinen Kopf festhält.
00:57:40
Nach ca. 20 Sekunden lassen sie wieder los.
00:57:43
Henrik nimmt all seine letzte Kraft zusammen und schafft es tatsächlich,
00:57:47
sich kurz von seinen Fesseln zu befreien und ein paar Meter zu laufen.
00:57:50
Allerdings wird er sofort wieder eingeholt und noch heftiger geschlagen.
00:57:54
Er ruft nach Hilfe.
00:57:55
Der Freund von Luise schlägt mit dem Schlagstock so heftig auf Henriks Kopf,
00:58:00
dass der Schlagstock in Einzelteile zerbricht.
00:58:03
Dann wird sein Körper weiter mit Schnitten geschunden.
00:58:05
Am Bauch entsteht so ein über 25 Zentimeter langer Schnitt,
00:58:09
der so tief ist, dass er das Fettgewebe durchtrennt.
00:58:12
Eine ähnliche Wunde zieht sich über den gesamten Hals.
00:58:15
Und dann, nachdem das Martyrium schon etwas über zwei Stunden andauert,
00:58:19
werden die drei plötzlich still.
00:58:21
Sind das Schritte?
00:58:23
Lichtkegel durchbrechen in der Ferne die Dunkelheit des Waldes
00:58:27
und blechernde Schritte bewegen sich in Richtung der vier Teenager.
00:58:30
Plötzlich geht alles ganz schnell.
00:58:32
Luise und ihre Freunde greifen hektisch nach allem, was sie in die Finger kriegen können.
00:58:36
die Pfefferspray-Dose, die sie fast vollständig in Henriks Augen entleert haben und die Rolle Panzertape.
00:58:42
Dann rennen sie davon und lassen Henrik allein zurück.
00:58:45
Der schafft es, der schafft es gerade noch, sich aufzuraffen und in die Richtung der Lichter zu schleppen.
00:58:49
Vor ihm stehen drei Männer mit Taschenlampen.
00:58:52
Die rufen sofort nach Hilfe, denn sie sehen, dass Henrik lebensbedrohlich verletzt ist.
00:58:56
Blut pocht aus den offenen Wunden.
00:58:58
Die drei versuchen, Henrik wachzuhalten, bis der Krankenwagen endlich den Aufenthaltsort gefunden hat.
00:59:03
Henriks Zustand ist nicht stabil, als er eingeliefert wird.
00:59:07
Er hat drei Liter Blut verloren, was seinen Kreislauf immer wieder zusammensacken lässt.
00:59:11
Drei Stunden lang muss Henrik notoperiert werden.
00:59:14
Kurz nachdem die Angler einen Rettungswagen zu ihrem Aufenthaltsort lotsten, trifft auch die Polizei ein,
00:59:20
die nur wenig später bei der eingeleiteten Fahndung drei Teenager ganz in der Nähe des Kanals festnimmt,
00:59:25
die sich in einem parkenden Auto verschanzen.
00:59:28
Genau die Teenager, die Henrik den Anglern zuvor noch beschrieben hatte.
00:59:33
Sechs Tage später
00:59:34
Henriks Zustand ist mittlerweile stabil, allerdings ist er noch immer nicht wirklich vernehmungsfähig.
00:59:40
Mittlerweile sitzen die drei Angreifer in wegen Verdacht des versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft.
00:59:47
In den nächsten Tagen überschlagen sich die Regionalmedien mit Schlagzeilen über die brutale Tat.
00:59:52
Sie sprechen von Rache und Selbstjustiz und berufen sich dabei auf die Angaben der drei Inhaftierten.
00:59:58
Die hatten nämlich der Polizei berichtet, eine zuvor stattgefundene Vergewaltigung gerecht haben zu wollen.
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Doch auch nach sorgfältiger Prüfung lässt sich keine Anzeige zu einer Vergewaltigung in den Akten finden, die zu dem Fall passen würde.
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Licht ins Dunkel soll der Prozess vor dem Landgericht Münster im November bringen.
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Den Sommer über hat Henrik damit verbracht, wieder auf die Beine zu kommen.
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Doch geheilt sind seine Wunden noch lange nicht.
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An den furchtbaren Folterabend erinnert noch immer der eine Arm, den Henrik wegen eines entzündeten Nervs nicht richtig bewegen kann,
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und die große Narbe an seinem Hals, die sich nicht verdecken lässt.
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Selbst seine psychischen Wunden sind sichtbar.
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Wenn Henrik von der Nebenklägerbank in den Zeugenstand gerufen wird, spricht er leise und kraftlos, sodass man ihn kaum versteht.
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Neben den beiden jungen Männern auf der Anklagebank sitzt Luise, die gekleidet ist, als würde sie eher zu einem Fernsehabend gehen
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und nicht, als würde gleich ein Gericht über ihre Zukunft entscheiden.
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Zum Prozessauftakt würdigt sich das Trio keines Blickes.
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Und das kommt nicht von ungefähr.
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Denn die bisherigen Ermittlungen haben überraschende Erkenntnisse gebracht.
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Erkenntnisse, die die Angeklagten sicherlich gerne vorher gehabt hätten.
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In dem Fall würden sie wahrscheinlich nicht auf der Anklagebank sitzen.
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Zu der Zeit, als Henrik Luise als Match angezeigt wird, ist sie generell gerade nicht so sehr zufrieden.
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Das war sie lange Zeit in ihrem Leben schon nicht, denn Luise hatte in der Schule früher oft Probleme
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und wurde wegen ihrer Figur von ihren MitschülerInnen gemobbt.
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Das hatte aber nach der 10. Klasse nachgelassen.
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Seitdem ist sie gut integriert, hat einen stabilen Freundeskreis, zu dem auch ihr Ex Leander gehört.
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Und daher rührt gerade das Problem.
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Die beiden waren etwas über ein Jahr ein Paar, bis es immer wieder zu Streitigkeiten kam.
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Nach ein paar Tagen Beziehungspause kamen sie dann wieder zusammen und stritten ab dann gar nicht mehr, was Luise vor ein paar Tagen angesprochen hatte.
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Sie äußerte, dass sie das Gefühl habe, man würde jetzt einfach gar nicht mehr miteinander reden, wenn einem etwas nicht passt.
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Leander hatte daraufhin erwidert, dass er es für besser halte, sich dann zu trennen, um wenigstens gute Freunde zu bleiben.
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Das ist zu diesem Zeitpunkt zwei Tage her und Luise begreift, dass sie irgendetwas braucht, um sich über den Trennungsschmerz hinweg zu trösten.
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Und da kommt Henrik ins Spiel.
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Die Bunga-Bunga-Nachrichten, die sie sich hin- und herschreiben, legen den Fokus mal auf was anderes als auf ihren Liebeskummer.
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Und so entschließt sich Luise auch zu dem Treffen zwei Tage später.
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Nachdem Luise Henrik zu sich nach Hause einlädt, kommt es da zu den sexuellen Handlungen, die ich ja zu Beginn sehr ausführlich geschildert habe.
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Als die beiden danach in der Küche sitzen und Henrik sich ein Schnitzel von Luises Oma reinzieht, öffnet sie ihren WhatsApp-Chat mit Konrad.
01:02:40
Konrad ist Luises bester Freund, der eigentlich gerne mehr wäre als das.
01:02:44
Die beiden hatten sich im letzten Jahr auch über Lovou kennengelernt.
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Bis es zu einem Treffen kam, war Luise aber schon mit Leander zusammen.
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Daher alles nur platonisch.
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Zumindest für Luise.
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Konrad macht sich nämlich immer Hoffnung, wenn Luise und Leander gerade getrennt sind.
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Gerade vor ein paar Tagen hatte er ihr dann endlich seine Gefühle gebeichtet.
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Luise hatte daraufhin gesagt, dass sie generell eigentlich nicht abgeneigt wäre,
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aber wegen der Beziehung zu Leander und um der Freundschaft willen, das bisher für sie nicht wirklich in Betracht kam.
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Konrad ist eher ein schüchterner Typ, Kfz-Mechatroniker im dritten Lehrjahr und hatte bisher noch keine sexuellen Erfahrungen mit Mädchen.
01:03:22
An diesem Abend schreibt Luise ihm,
01:03:25
Ich bin enttäuscht von mir, weil ich nur rumhure, mit einem Typen von Lovou, der neben mir sitzt.
01:03:33
Kommt von Konrad zurück.
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Was machen wir wohl?
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Antwortet Luise mit Smiley.
01:03:38
Henrik ist immer noch da,
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berichtet Luise auch Ex-Freund Leander von ihrem Date.
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Auch ihm schreibt sie, dass sie enttäuscht von sich sei.
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Sie sei zur Schlampe geworden, um ihn aus dem Kopf zu bekommen.
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Jetzt zittere sie am ganzen Körper und lasse sich von jemandem benutzen, der unbedingt mit ihr schlafen wolle.
01:03:55
Wichtig zum Verständnis, da hatten Luise und Henrik aber tatsächlich ja schon miteinander geschlafen.
01:04:01
Leander schlägt vor, dass Luise den Typen einfach wegschickt.
01:04:04
Nein, dann schlägt er mich,
01:04:05
antwortet Luise.
01:04:06
Obwohl Henrik neben ihr sitzt und sich voll und ganz seinem Schnitzel und seinem Handy widmet,
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schreibt Luise, dass der Typ nicht von ihr ablasse und ihr die ganze Zeit zwischen die Beine greifen wolle.
01:04:17
Leander bietet seine Hilfe an.
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Er würde sofort vorbeikommen und Luise helfen.
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Ich schaffe das schon alleine, wir gehen jetzt nach draußen,
01:04:25
Wenig später kommt es dann zu dem Treffen auf dem Spielplatz,
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bei dem Leander Henrik rät, sich zu verziehen,
01:04:31
weil Luise nichts von ihm wolle.
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Leander bleibt daraufhin weiterhin bei Luise,
01:04:35
schenkt ihr Aufmerksamkeit und tröstet sie.
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Luise erzählt Leander bei dem Treffen nichts genaueres von dem Date,
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nur, dass es Fummeleien gab, die sie aber gar nicht gewollt habe.
01:04:45
Kurz darauf haben Leander und Luise Sex miteinander
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und beschließen, wieder ein Paar zu sein.
01:04:50
Danach fährt Leander wieder zu sich nach Hause.
01:04:53
Es ist 22.34 Uhr,
01:04:55
als Luise wieder auf WhatsApp mit Conrad chattet
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und noch ein bisschen mehr über das Treffen erzählt.
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Henrik habe sich unbedingt mit ihr treffen wollen,
01:05:03
sie wollte das gar nicht.
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Er habe ihr gleich zu Beginn an den Arsch gefasst
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und sie dazu gedrängt, in die Wohnung zu gehen.
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Im Zimmer sei es dann noch schlimmer geworden.
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Er habe ihr die Sachen ausgezogen und in den Hals gebissen.
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Sie habe sich gewehrt, aber er sei zu stark gewesen.
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Habe sie erst zum Blasen und nachdem er ihre Leggings zerrissen hatte,
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auch zum Sex gezwungen.
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Konrad antwortet, wo zur Hölle wohnt dieser Bastard?
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Er schreibt, er liebe sie so sehr und heule sich deswegen ins Grab
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und dann kommt so eine, Zitat, dreckige Fehlgeburt und vergewaltige sie einfach.
01:05:34
Er schlägt vor, dass Luise Hendrik anzeigen soll, doch die winkt ab.
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In der Zwischenzeit schickt sie Auszüge aus dem Verlauf mit Konrad an,
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gerade wieder Freund Leander.
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Der ist überrascht, also habt ihr doch miteinander geschlafen.
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Du hättest mir das auch ruhig alles sagen können,
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dann wäre der nicht so einfach nach Hause gekommen.
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Luise schreibt, wenn du das als miteinander schlafen bezeichnen willst,
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ich nenne es eher, er hat mich gezwungen und mir wehgetan, aber okay, ja.
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Und nein, ich hatte Angst, dass du dann erst recht nichts mehr von mir willst
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und wenn du mich jetzt hasst, dann kann ich das verstehen.
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Leander antwortet, ja, okay, dann hat er dich vergewaltigt.
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Luise, nein, ich liebe dich.
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Luises Story ist, dass sie draußen Fahrrad gefahren sei
01:06:19
und Hendrik sie dort abgefangen habe.
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Sie sei nur mit ihm reingegangen, damit er das alles nicht draußen abziehe.
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Leander schreibt, dass Luise ihren vermeintlichen Vergewaltiger Hendrik
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eigentlich nochmal zu sich holen solle.
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Er selbst würde dann ein paar Leute organisieren und Hendrik kaputt schlagen.
01:06:35
Wenn Konrad sich den Typen wirklich vornehmen wollen würde,
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dann solle er ihn mitnehmen und eine Sturmmaske besorgen.
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Er würde sich um Schlagstücke kümmern.
01:06:44
Am nächsten Morgen schreibt Leander Luise, dass er die ganze Nacht wachgelegen habe,
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weil er über den Typen nachgedacht habe.
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In dieser Nacht seien viele Ideen in ihm gereift, wie man es Hendrik heimzahlen könnte.
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Einige Stunden später am Abend treffen sich also Luise, ihr Wiederfreund Leander
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und der hoffnungslos verliebte Konrad.
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Mit einer Vergewaltigung soll Hendrik nicht so einfach davon kommen.
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Und so schmieden die drei einen brutalen Racheplan gegen den Mann, der ihrer Luise angeblich so wehgetan hat.
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Der Plan ist, dass sich Luise noch einmal mit Hendrik treffen soll und Konrad und Leander dann dazu kommen.
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Leander denkt darüber nach, Hendrik das Wort Rapist auf die Brust zu ritzen,
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ihm Säure ins Gesicht zu kippen oder ihm die Weichteile abzuschneiden.
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Hauptsache, er fühlt Schmerzen.
01:07:30
Über fünf Tage lässt Luise Hendrik also in dem glauben, dass sie an einem weiteren Treffen interessiert sei
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und lässt sich auf Dirty Talk ein, damit Hendrik keinen Verdacht schöpft.
01:07:40
Am Freitag, dem Tag, an dem die drei ihm eine Lektion erteilen wollen,
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kaufen sie tagsüber noch Pfefferspray und gehen zusammen in den Baumarkt.
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Kattermesser, Panzertape und Handschuhe landen im Einkaufswagen.
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Wegen der Shoppingtour verschiebt Luise ihr Treffen mit Hendrik zweimal um eine halbe Stunde nach hinten.
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Als Luise Hendrik dann beim Date nichts eint, das Pfefferspray in die Augen sprüht
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und Leander und Konrad maskiert aus dem Waldsturm, sind sie bereit, Hendrik leiden zu lassen.
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Und zwar über Stunden.
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Ein Martyrium, das Hendrik zwischenzeitlich nah an die Bewusstlosigkeit und sogar an den Tod treibt.
01:08:12
Während Leander, Konrad und Luise auf ihn einschreien, wie viele Frauen er denn schon vergewaltigt habe,
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weiß der überhaupt nicht, wovon die drei sprechen.
01:08:20
Nachdem Leander und Konrad ihre Masken ablegen, wird ihnen dann bewusst, dass Hendrik sie verraten würde
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und gehen danach noch brutaler vor.
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Dass die drei Angler Hendriks Hilfeschreie hörten, hat ihm vermutlich das Leben gerettet.
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In den Tagen nach der Festnahme verstrickt sich Luise dann in Widersprüche.
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In ihrer ersten Version heißt es, Hendrik habe sie abgefangen,
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der Sex habe gegen ihren Willen stattgefunden,
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sie habe ihm deutlich gesagt, dass sie das nicht wolle
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und er habe, stell dich nicht so an, jetzt komm schon, darauf gesagt.
01:08:50
Also pretty much das, was sie auch Leander und Konrad am Ende erzählt hatte.
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In dieser Version hatte Hendrik sie an dem Folterabend aber auch noch mit einem Cuttermesser angegriffen
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und sie sich nur gewehrt.
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Bei der ergänzenden Vernehmung gibt sie dann aber zu, das mit dem Cuttermesser nur erfunden zu haben.
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Vielmehr wollte sie ihn mit der Aktion am Kanal Angst einjagen, damit er sie nie wieder kontaktiere,
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habe aber nicht erwartet, dass Leander und Konrad so weit gehen würden.
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Bei der Haftprüfung wiederum habe der Zitat Tittenfick und der Oralverkehr einen Hauch von Freiwilligkeit gehabt.
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Der Sex sei aber nicht freiwillig gewesen.
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Und von diesen Ungereimtheiten haben Leander und Konrad schon vor Prozessbeginn erfahren.
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Dass Luise von Anfang an nicht die Wahrheit gesagt hatte, wird spätestens jetzt in der Hauptverhandlung klar,
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als sie die angebliche Vergewaltigungsgeschichte wieder neu interpretiert,
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und zwar diesmal vor den Augen der Prozessteilnehmenden.
01:09:44
Denn in der Region schenkt man dem Fall große Aufmerksamkeit.
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Henrik kann von seinem Platz als Nebenkläger zusehen, wie die FotografInnen und Presseleute
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die drei Teenager auf der Anklagebank umzingeln.
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In Luises aktueller Version sei das Treffen mit Henrik jetzt doch verabredet gewesen.
01:10:00
Kurze Anmerkung, das Geständnis kann sie sich eigentlich auch sparen,
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denn sie erzählt den Ermittlenden ja zumindest nichts Neues, die all diese Chatverläufe gelesen haben.
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Jetzt sagt sie wieder, sie habe bei dem Treffen dann zunächst gesagt, dass sie keinen Sex wolle,
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habe nachher aber, Zitat, halt mitgemacht.
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Als der Vorsitzende Richter ihr die Chatverläufe vorhält und sie fragt,
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ob sie im Laufe der sexuellen Handlung nicht auch die Initiative ergriffen habe, sagt sie, kann sein.
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Das seien keine Hinweise auf eine Vergewaltigung, sagt der Vorsitzende.
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Luise merkt an, dass sie trotzdem findet, dass es Henriks Schuld sei und bei der Racheaktion
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habe sie nur aus Freundschaft zu den anderen mitgemacht.
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In diesem Augenblick sei ihr die Freundschaft zu den beiden wichtiger gewesen als Henriks Leben.
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Eine Aussage, die Leander und Konrad wohl überraschen mag.
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Als Leander das erste Mal in Untersuchungshaft erfahren habe, dass Luise ihre Aussage geändert hatte,
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sei er am Boden zerstört gewesen, sagt er vor Gericht.
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Er habe ihr die Geschichte zu 100% geglaubt.
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Und Konrad behauptet, er habe mit der Racheaktion Luise seine Loyalität beweisen wollen.
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Alle entschuldigen sich vor der Urteilsverkündung bei Henrik.
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Doch der scheint dafür nicht wirklich empfänglich.
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Das Landgericht Münster sieht das aber anders.
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Besonders nachdem während der Tat der Satz, wir müssen das zu Ende bringen, gefallen sei,
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sei allen bewusst gewesen, dass Henrik jetzt nicht mehr nur gefoltert, sondern auch getötet werden soll.
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Daher lautet das Urteil auf versuchten Totschlag, gefährliche und schwere Körperverletzung und Freiheitsberaubung für alle drei.
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Alle drei kassieren Jugendstrafen.
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Leander fünf Jahre und drei Monate, Konrad, Luises bester Freund, vier Jahre und neun Monate
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und Luise die höchste Freiheitsstrafe von sechs Jahren.
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Das Gericht ist sich sicher, dass bei ihrem Treffen mit Henrik alles einvernehmlich war
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und spricht von Sex nach Drehbuch und bezieht sich damit auf die etlichen WhatsApp-Nachrichten,
01:12:03
die zuvor verschickt wurden und an denen sich auch nachher das Geschehen im Wesentlichen orientierte.
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Der Fall hat bei vielen für Kopfschütteln gesorgt.
01:12:12
Drei Jugendliche, die bis dahin unbescholten durchs Leben gingen,
01:12:15
die plötzlich so eine grausige Tat verübten.
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Der psychologische Sachverständige hatte dazu ausgeführt,
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dass die Tat ein wenig nachvollziehbarer würde,
01:12:24
wenn man sich die Interaktion zwischen den dreien und die Gruppendynamik anschaue.
01:12:28
Eine fast tödliche Dynamik, die offenbar entstand aus Gefühlen von Scham, Eifersucht, Wut
01:12:35
und dem Gedanken, dass man selbst über Recht und Unrecht entscheiden könne.
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Also wie schlimm ist diese Luise?
01:12:44
Was ist denn mit ihr?
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Wie asozial kann man eigentlich sein?
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Also wie alt war die?
01:12:54
Die war 17 und auf einem Gymnasium.
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Also man kann ja schon dann voraussetzen,
01:13:00
dass die eine Art Bildung erfahren hat und auch eine Erziehung
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und dass die weiß, was richtig und falsch ist.
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Ja, aber also richtig und falsch hat halt leider wirklich gar nichts mit der Bildung zu tun.
01:13:11
Das sehen wir hier ja immer wieder in Fällen.
01:13:14
Das ist völlig bildungsgradunabhängig.
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Ja, aber sie ist halt schon alt genug, dass sie das zumindest,
01:13:21
also in der Schule lernt man ja auch ein bisschen was dazu.
01:13:25
Also ich bin total schockiert.
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Ich weiß ja nicht, was die für eine, also hatte die eine schlimme Kindheit,
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außer dass sie gemobbt wurde.
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Das war eher bei einem ihrer Freunde so.
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Also ich finde es auch irgendwie ziemlich offensichtlich,
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was da ihr Plan war bei der Sache mit dem Sexdate mit Hendrik.
01:13:45
Wahrscheinlich wollte sie ja einfach ihren Ex wieder haben.
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Aber es ist so irre eigentlich, weil sie hätte es ja niemandem erzählen müssen.
01:13:54
Also wenn man sich jetzt versucht, in sie reinzuversetzen,
01:13:57
dann könnte man denken, okay, vielleicht hat sie das geschrieben,
01:14:00
damit er irgendwelche Eifersuchtsgefühle zeigt oder weiß ich nicht was.
01:14:05
Aber das sind natürlich auch alles nur Mutmaßungen.
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Aber sie hätte es ja nicht schreiben müssen.
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Dann hätte sie sich auch nicht vor den beiden wie eine Zitat Schlampe fühlen müssen.
01:14:15
Ja, ich verstehe nicht.
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Also sie hat ja geschrieben, die fühlt sich wie eine Schlampe
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und dann ist ja auch der Leander gekommen und die sind dann wieder zusammen gewesen.
01:14:24
Und da hätte sie ja einfach stoppen können.
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Aber sie musste das ja dann auch einfach gewollt haben,
01:14:30
diesem unschuldigen Mann, den sie gar nicht kennt, mit dem die vorher noch Sex hatte,
01:14:37
solche Schmerzen anzutun und sogar quasi in Kauf nehmen, dass der dann dabei stirbt oder sie ihn sogar töten.
01:14:45
Ja, also das hat sie am Ende, hat sie das ja gewollt.
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Das hat ja das Gericht entschieden, dass sie einen Tötungsvorsatz gehabt hat.
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Aber ich glaube, dass das gar nicht am Anfang wirklich so ihr Ziel war.
01:14:58
Also deswegen reden die ja hier auch von so einer Dynamik, die dann irgendwann entstanden ist.
01:15:03
Ich könnte mir vorstellen, dass man am Anfang erst mal versucht, seine Tat,
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was in dem Fall eben dieser Sex, was sie als Rumgehure bezeichnet hat, irgendwie zu rechtfertigen.
01:15:15
Und dann passt das natürlich in das eigene Storytelling,
01:15:19
dass man das eigentlich gar nicht freiwillig gemacht hat.
01:15:21
Ich will aber eine Sache hier noch mal kurz ansprechen,
01:15:26
weil wir können wissen, Luise hat wegen dieser Vergewaltigung gelogen.
01:15:29
Da gibt es genug Hinweise für und das hat das Gericht eindeutig festgestellt,
01:15:34
weil es halt Henrik geglaubt hat, der gesagt hat, die hat das ganz deutlich zum Ausdruck gebracht.
01:15:39
Und das hat er auch nach dem ersten Treffen ja gleich seinem Kumpel geschrieben,
01:15:43
dass sie den Sex ja offenbar genossen hat.
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Wir können aber ja nicht in ihren Kopf schauen.
01:15:49
Und es kann ja sein, dass sie mit ihm Sex hatte und das danach bereut hat
01:15:55
oder dass sie nach außen hin mitgemacht hat, es aber eigentlich innen drin trotzdem irgendwie nicht wollte.
01:16:01
Das ist dann zwar keine Vergewaltigung, aber das ist ja aus einem anderen Grund ein Problem,
01:16:06
weil zu viele Frauen nämlich das Gefühl haben, sie müssten irgendwie sexuell verfügbar sein.
01:16:12
Ich will das jetzt für sie gar nicht sagen.
01:16:14
Nee, weil sie ja auch davor diese ganzen Nachrichten geschrieben hatte.
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Also die hatte ja offenbar auch sehr viel Bock.
01:16:20
Genau, aber es kann ja sein, dass du diese ganzen schmutzigen Nachrichten schreibst und Bock hast
01:16:26
und es dir dann anders überlegst.
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Also kurz davor oder mittendrin so.
01:16:31
Und da wollte ich einfach nur noch mal sagen, dass niemand die Verpflichtung hat, das durchzuziehen,
01:16:36
wenn sich das nicht richtig anfühlt.
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Ihr könnt auch zwischendrin abbrechen oder so.
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Ich weiß nur, dass uns halt sehr viele junge Frauen und Heranwachsende hören.
01:16:44
Und wenn man das Urteil jetzt so liest, dann habe ich die Sorge, dass man dann verstehen könnte,
01:16:50
wenn man solche Nachrichten schreibt, dann muss man das auch machen.
01:16:54
So nach dem Motto, ja.
01:16:55
Weil das Gericht eben von diesem Sex-nach-Drehbuch geschrieben hat.
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Und ich fand tatsächlich diese Begründung ein bisschen problematisch.
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Zu sagen, naja, das hast du ja vorher so geschrieben und dann ist das ja so passiert.
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Also so haben die das natürlich nicht gesagt.
01:17:10
Aber ich möchte nur noch mal deutlich machen, dass das hier jetzt nicht falsch rüberkommt,
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dass das dann ja kein Problem ist, wenn man solche Nachrichten vorher geschrieben hat, ja.
01:17:18
In meinem Aha geht es jetzt um Folter rechtlich gesehen.
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Ich habe ja schon eingangs erzählt, dass für die Definition von der UN-Antifolterkonvention
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ein Kriterium ist, dass eine Person gefoltert wird, wenn sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich
01:17:33
von ihr oder einem Dritten begangene Tat bestraft werden soll.
01:17:37
Das wird hier ja an sich passen.
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Und auch der Punkt, dass die Person eingeschüchtert werden sollte.
01:17:43
Das sollte Henrik laut Aussagen von Luise, Konrad und Leander, ja.
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Damit er Luise dann nicht mehr kontaktiert.
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In unserem sprachlichen Gebrauch passiert jetzt eigentlich also alles zu diesem Folter-Szenario.
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Allerdings macht die UN-Antifolterkonvention eine Einschränkung,
01:17:59
dass diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person
01:18:09
auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden.
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Und das war hier ja jetzt eindeutig nicht so.
01:18:18
Also es heißt übersetzt eigentlich, dass Folter nach dieser Definition nur vom Staat verübt werden kann.
01:18:24
Oder irgendwas, was mit dem Staat zu tun hat, sagen wir mal so, ja.
01:18:27
Daran gibt es aber Kritik, vor allem eben an dieser Einschränkung auf die verursachende Person,
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die ja irgendwie staatlich sein muss.
01:18:35
Eben weil diese Formulierung vom Staat mit einschließt, dass es einen funktionierenden Staat geben muss.
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Und wenn es den nicht gibt, also beispielsweise bei einem Zustand vom Bürgerkrieg oder so,
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dann würden Folterungen der Akteure gar nicht unter diese Definition der UN-Konvention fallen.
01:18:52
Weil die ja quasi dann nicht foltern können, weil sie keine StaatsmitarbeiterInnen oder so sind, ne?
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Und nach dieser Definition würde halt, obwohl die meisten von uns das als Folter bezeichnen würde,
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was da passiert ist, Henriks Fall ja auch nicht unter Folter fallen, ne?
01:19:13
Im Urteil hatte das Gericht selbst auch nicht von Folter gesprochen.
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Zum einen, weil natürlich Leander, Konrad und Luise sicherlich keine AmtsträgerInnen waren.
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Und zum anderen, weil wir Folter an sich so auch gar nicht in unseren Strafgesetzen haben.
01:19:29
Natürlich sind Foltermethoden aber trotzdem verboten.
01:19:32
Und das ist sowohl verfassungsrechtlich als auch strafrechtlich festgehalten.
01:19:37
Das ist aber halt so, dass die Gesetze, die wir haben, einen eigenen Folterparagrafen quasi überflüssig machen.
01:19:45
Beispielsweise ist Folter in Deutschland durch § 343 StGB der Körperverletzung im Amt oder durch § 343 StGB die Aussageerpressung,
01:19:55
die unerlaubte Methoden bei Vernehmungen in Strafverfahren unter Strafe stellt, geregelt.
01:20:01
So, und dazu gab es einen ganz bekannten deutschen Fall.
01:20:03
Und da ging es um einen Mann, dessen Name nicht genannt werden darf.
01:20:08
Wir nennen ihn deswegen Voldemort.
01:20:10
Und der hatte einen kostspieligen Lebensstil.
01:20:14
Und den wollte er sich weiterhin finanzieren, auch nachdem er schon ein ganzes Geld aufgebraucht hatte.
01:20:18
Und deswegen beschließt Voldemort, also einen Bankierssohn zu entführen und fordert eine Million Euro Lösegeld.
01:20:25
Und die Familie des Jungen, die zahlt auch, aber wo sich der Junge aufhält, gibt Voldemort trotzdem nicht preis.
01:20:31
Nach der Geldübergabe gelingt es den mittlerweile eingeschalteten BeamtInnen,
01:20:36
allerdings anhand von Voldemorts Autokennzeichen, seine wahre Identität auszumachen.
01:20:41
Voldemort wird also beschattet, aber nachdem sie drei Tage lang trotzdem nicht ausfindig machen können,
01:20:48
wo dieser Junge gefangen gehalten wird, nehmen sie Voldemort fest.
01:20:53
Und der zuständige Polizeipräsident, der will halt jetzt unbedingt wissen, wo sich der Junge aufhält,
01:20:57
auch weil die Zeit ja so ein bisschen schwindet, weil sie Angst haben, dass der bis dahin dann verstirbt.
01:21:02
Und erst als der Polizeipräsident einen Mitarbeiter anordnet, Voldemort mit Gewalt zu drohen,
01:21:08
verrät Voldemort, wo der Junge versteckt ist.
01:21:10
Und die Polizei, die findet daraufhin den Jungen, allerdings ist er schon tot.
01:21:14
Voldemort hatte ihn nämlich gleich nach der Entführung und noch vor der Lösegeldforderung getötet.
01:21:20
Seit 2003 sitzt Voldemort also jetzt im Gefängnis.
01:21:23
Der ist aber nicht der Einzige, der sich hier strafbar gemacht hat.
01:21:26
Der Polizeipräsident nämlich wird wegen seines Vorgehens vor dem Landgericht zu einer Geldstrafe von über 10.000 Euro verurteilt.
01:21:33
Und dieses Vorgehen von ihm, das wird als Tabubruch bezeichnet,
01:21:38
Obwohl er auch sehr viel Beistand bekommen hat.
01:21:41
Und jetzt ist die Frage, Frau Wohlers.
01:21:44
Wie wir das jetzt finden.
01:21:46
Wie du das jetzt findest vor allem.
01:21:48
Wie ich jetzt die Handlung von dem Polizeipräsident finde oder wie ich jetzt die Bestrafung von dem Polizeipräsident finde?
01:21:57
Was hättest du denn gemacht?
01:22:00
Wenn du die Polizeipräsidentin gewesen wärst.
01:22:03
Ja, ich hätte das nicht angeordnet natürlich, ja.
01:22:06
Okay, du hättest nicht angeordnet, du hättest dem selbst gleich eine übergezogen.
01:22:10
Also wenn ich, das habe ich nämlich jetzt auch gerade erst gecheckt,
01:22:16
dass dieser Polizeipräsident das in Anführungsstrichen nur angeordnet hat
01:22:20
und dann einer, der ihm untergestellt war, dann quasi durchgeführt hat, ne?
01:22:24
Na, also er hat die Androhung durchgeführt, ne?
01:22:27
Da wurde ja niemand geschlagen.
01:22:29
Nee, nee, also genau.
01:22:30
Das finde ich ja interessant, weil ich weiß nicht, keine Ahnung,
01:22:35
Wenn ich jetzt der leitende Ermittler wäre oder der Ermittler, der diesen Voldemort vernimmt
01:22:42
und es geht um ein kleines Kind, dann könnte ich natürlich jetzt nicht dir sagen,
01:22:48
wie ich dann in dem Moment reagieren würde, ob ich es vielleicht auch dazu kommen würde,
01:22:52
im Eifer des Gefechts oder so, dass ich, ja, aggressiv werde oder sowas Androhung.
01:23:00
Das kann ich natürlich nicht sagen, aber als Polizeipräsident, das jemand anderem aufzutragen,
01:23:05
das finde ich nochmal so eine, irgendwie so eine Stufe rationaler
01:23:09
und mit einem Schritt zurück sozusagen, dass ich das wahrscheinlich eben nicht gemacht hätte.
01:23:15
Ja, und das ist auch so ein bisschen die Verantwortung dann auf jemand anderen abbilden, ne?
01:23:22
Also, ich meine, gut, wenn das jetzt aber nun mal der vernehmende Beamte war,
01:23:27
kann ich das auch so ein bisschen, ach, naja, ich weiß es auch nicht,
01:23:30
aber, also sagen wir mal so, ich verstehe total, dass der eine Strafe bekommen hat
01:23:37
und ich finde es auch gut, dass der bestraft wurde, weil das eine Strafe verdient hat.
01:23:42
Ich hätte das aber wahrscheinlich genauso gemacht.
01:23:44
Also zumindest hätte ich ihm auch das selber angedroht wahrscheinlich.
01:23:48
Und dann hätte ich es auch richtig gefunden, wenn ich dafür danach dann bestraft werde.
01:23:52
Ja, das Ding ist eben gut, dass wir keine Ermittlerinnen sind,
01:23:56
weil wir dann vielleicht eben öfters in so eine Situation kommen würden
01:24:00
und es ist ja eigentlich eben besser, wenn sowas nicht passiert und keine Gewalt angedroht wird.
01:24:06
Ich glaube nicht, dass man oft in so eine Situation kommt, auch nicht als Ermittler.
01:24:11
Vielleicht in den USA, in New York oder L.A.
01:24:14
Was weißt du, wie viele Kinder da vielleicht entführt werden?
01:24:16
Oder wenn du da in so eine Situation kommst, wo kommst du dann noch in so eine Situation?
01:24:26
Also, falls euch das Thema noch interessiert, weitergehend, es gibt da einen Film und zwar Feinde von Ferdinand von Scherach,
01:24:36
der sich mittlerweile durch unsere Podcast-Folgen zieht, wie der Apfel durch seinen Buch.
01:24:40
Aber es gab bei uns in Deutschland ja auch mal Zeiten, in denen der Polizeipräsident für so eine Aktion nicht bestraft worden wäre.
01:24:49
Wir wissen ja auch schon von Folterungen in der Nazizeit im Zusammenhang mit dem Holocaust.
01:24:54
Aber auch abseits der KZ, sage ich jetzt mal, hat die Gestapo auch Menschen gefoltert.
01:25:00
Der österreichische Schriftsteller und Widerstandskämpfer Jean Améry erzählt nämlich 2014 in der Zeit,
01:25:07
wie damals versucht wurde, Informationen aus ihm herauszubekommen.
01:25:10
Améry war im Juli 1943 beim Verteilen von Flugblättern verhaftet worden.
01:25:15
Und weil er beim Verhör dann nichts über andere Widerstandskämpfer erzählen wollte und auch konnte,
01:25:21
wurde er ausgepeitscht und dem sogenannten Pfahlhängen unterzogen.
01:25:26
Und darüber schreibt er selbst, Zitat,
01:25:29
Der Haken griff in die Fessel, die hinter meinem Rücken meine Hände zusammenhielt.
01:25:34
Dann zog man die Kette mit mir auf, bis ich etwa einen Meter hoch über dem Boden hing.
01:25:38
Man kann sich in solcher Stellung oder solcher Hängung an den hinterm Rücken gefesselten Händen
01:25:43
eine sehr kurze Weile mit Muskelkraft in der Halbschräge halten.
01:25:47
Man wird während dieser wenigen Minuten, wenn man bereits die äußerste Kraft verausgabt,
01:25:52
wenn schon der Schweiß auf Stirn und Lippen steht und der Atem keucht, keine Fragen beantworten.
01:25:58
Komplizen, Adressen, Treffpunkte, das vernimmt man kaum.
01:26:01
Was mich betrifft, so musste ich ziemlich schnell aufgeben.
01:26:05
Und nun gab es von meinem Körper bis zu dieser Stunde nicht vergessenes Krachen und Splittern in den Schultern.
01:26:10
Die Kugeln sprangen aus den Pfannen.
01:26:12
Das eigene Körpergewicht bewirkte Luxation.
01:26:15
Ich fiel ins Leere und hing nun an den ausgerenkten, von hinten hochgerissenen
01:26:20
und über dem Kopf nunmehr verdreht geschlossenen Arm.
01:26:24
Also das ist so eine, also das ist einfach so brutal.
01:26:31
Und selten hört man das ja so explizit aus dem Mund eines Betroffenen, ja.
01:26:38
Ich kann das auch total nachvollziehen, wenn man wie Murat da nicht mehr drüber sprechen möchte.
01:26:45
Wir haben ja auch mal, als wir diese, was war denn das?
01:26:51
Das war ja keine DDR-Folge.
01:26:52
Ja, die Agenten-Folge, genau.
01:26:54
Da waren wir in diesem Stasi-Gefängnis hier in Berlin.
01:26:57
Und da hat uns der ehemalige Gefangene Thomas Raufeisen auch erzählt, wie das damals so in der DDR war und wie sich die sogenannte Stillefolter ausgewirkt hat.
01:27:08
Da gab es dann nur Isolationshaft und Sprechen war verboten.
01:27:12
Dann wurde verhindert, dass sich Gefangene untereinander sehen.
01:27:15
Dafür gab es dann so eine Art Ampelsystem, damit die Aufpasser da früher wussten, wann jemand mit einem anderen Gefangenen auf dem Gang läuft.
01:27:24
Und Raufeisen hat uns halt auch erzählt, dass nachts immer das Licht gebrannt hat und die Gefangenen immer auf dem Rücken liegen mussten.
01:27:32
Und tagsüber durften sie dann aber gar nicht auf der Pritsche liegen oder sitzen, den Kopf aufstützen.
01:27:36
Nichts durften die nicht mal an der Wand anlehnen.
01:27:40
Ja, ich fand das irgendwie ganz bedrückend.
01:27:42
Als wir da waren, haben wir uns ja auch diese Zellen angeguckt und wie klein das da war und eng.
01:27:48
Möglicherweise gibt es es ja heute nicht mehr in deutschen Gefängnissen.
01:27:52
Amnesty International sagt sogar, dass die Behandlung von Personen hier in Deutschland, denen halt die Freiheit entzogen ist und die Ausstattung von Gefängnissen sehr positiv ist.
01:28:03
Auch wenn man da schon personell und finanziell da aufstocken müsste.
01:28:08
Aber auch wenn halt durch den Staat niemand mehr gefoltert wird in unseren Gefängnissen, kommt es immer wieder zu sogenannten Folterfällen.
01:28:15
Und ihr erinnert euch ja wahrscheinlich auch alle an den Foltermord in der JVA Siegburg.
01:28:19
Den habe ich mal in der Folge 7 erzählt.
01:28:22
Da ging es um einen 20-Jährigen, der von seinen drei Zellengenossen wirklich stundenlang gequält, vergewaltigt und dann auch am Ende dazu gezwungen wurde, sich zu erhängen.
01:28:35
Und tatsächlich ist es kein Einzelfall.
01:28:37
Also da gab es 2001 einen 16-Jährigen, der sechs Wochen von seinen Mitgefangenen so lange gefoltert wurde, bis sie ihn dann auch irgendwann getötet haben.
01:28:47
Oder 2005 wurde ein Mann in der JVA hier in Tegel stundenlang durch fünf andere gefoltert, die dann auf ihn eintraten und den gezwungen haben, das Urin von denen zu trinken und den Kopf unter die Klospüle zu halten.
01:29:02
Also wirklich ganz, ganz schlimme Sachen.
01:29:05
Und auch wenn das jetzt nicht offiziell unter die Definition der UN-Anti-Folterkonvention fällt, wird in solchen Fällen ja immer wieder trotzdem der Begriff Folter verwendet, weil einem auch wirklich nichts anderes einfällt für diese Taten, wie mit diesen Opfern umgegangen wird.
01:29:21
Davon wurde zum Glück in den letzten Jahren in Deutschland ja kein Fall gefunden, zumindest nicht von staatlicher Folter.
01:29:29
Das sieht aber natürlich ganz anders aus in anderen Ländern, obwohl diese Anti-Folterkonvention schon vor 30 Jahren verabschiedet wurde.
01:29:38
Zwischen 2009 und 2014 gab es Folter in 141 Staaten.
01:29:44
Und das sind circa drei Viertel aller Länder.
01:29:48
Vor allem davon betroffen laut Amnesty International sein Mexiko, die Philippinen, Nigeria, Usbekistan und Marokko.
01:29:56
Der Philosophie-Professor und Sprecher der Amnesty-Themengruppe gegen Folter, Smail Rappic, hat uns erzählt, dass sich in den letzten 40 Jahren die Folterlage verbessert hat.
01:30:06
Weil in den 80er Jahren, da seien Folter und Misshandlungen in vielen Ländern halt einfach noch Teil der Polizei und Gefängnispraxis gewesen, um halt eben beispielsweise so Geständnisse zu erzwingen.
01:30:18
Genauere Zahlen gibt es dann natürlich gar nicht, weil, wie wir ja wissen, Folter eine staatliche Sache ist und die jeweiligen Staaten sich dann aber natürlich viel daran setzen, dass das im Verborgenen bleibt.
01:30:29
Auch, weil ja inzwischen 171 Staaten das Übereinkommen gegen Folter beschlossen haben und sie dann aber bei einem Verstoß dafür belangt werden könnten, wie uns Smail Rappic erzählt hat.
01:30:42
Und eine ganz aktuelle Entwicklung, die sehr positiv ist, ist die, dass ja nach dem Völkerstrafrecht inzwischen Folter als Verbrechen, die in die Menschlichkeit gewertet wird.
01:30:53
Und dass eben Folter jetzt in allen Ländern strafrechtlich verfolgt werden kann.
01:30:59
Auch wenn das betreffende Land, was also die Strafe verfolgt, gar keinen direkten Kontakt zu dem Land, der Täter hat oder auch wenn gar nicht die eigenen Staatsbürger betroffen sind.
01:31:11
Ja, man muss sich das mal vorstellen. Das heißt jetzt, dass zum Beispiel Deutschland jemanden vor Gericht stellen kann, der in einem ganz anderen Land auch nicht deutsche Menschen gefoltert hat.
01:31:23
Und tatsächlich kam es schon zu so einem Fall, jetzt im Januar dieses Jahres, da wurde ein ehemaliger syrischer Geheimdienstmitarbeiter hier bei uns vom Oberlandesgericht Koblenz für Verbrechen an der Menschlichkeit schuldig gesprochen und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
01:31:39
Und zwar, weil er in Syrien als Leiter der Ermittlungsabteilung des Gefangenenlagers Al-Kadib in Damaskus die Folter von Gefangenen beaufsichtigt hatte.
01:31:48
Ja, das wäre ja auch richtig so.
01:31:52
Wir haben jetzt ein bisschen von unterschiedlichen Formen von Folter gesprochen und es ist so, dass die psychische Folter gegenüber der Körperlichen lange Zeit gar nicht so ernst genommen wurde.
01:32:02
Eine Studie des King's College London von 2007 hat aber gezeigt, dass psychische Folter von den Opfern als genauso furchtbar empfunden werden.
01:32:13
In dieser Studie vom King's College, da wurden 279 Folteropfer gebeten, verschiedene Foltermethoden dann auch zu bewerten.
01:32:20
Und dabei kam dann eben zum Beispiel raus, dass Berührungen an den Genitalien oder das Miterleben von solchen Scheinhinrichtungen beispielsweise schlimmer eingestuft wurden als beispielsweise das Ziehen von Zehen oder das Strecken des Körpers auf so Streckbänken.
01:32:36
Was sozusagen am schlimmsten eingestuft wurde, waren aber immer Vergewaltigungen.
01:32:41
Und da glaube ich, ist es auch irgendwie so ein bisschen eine Verbindung von beidem.
01:32:48
Weil eine Vergewaltigung ist natürlich auch eine körperliche Folter, aber finde ich auch sehr eine psychische Folter, weil das so sehr eine Erniedrigung ist.
01:33:01
Ja, das ist halt ein ganz anderer Eingriff in die Intimsphäre, als wenn dir jemand einen Zahn zieht, natürlich.
01:33:08
Und diese Bewertung spiegelt sich auch in den Folgen der Folter wieder, weil die Opfer natürlich nicht nur an körperlichen Folgen leiden, also die man halt auch sehen kann, sondern natürlich auch an psychischen.
01:33:21
Das zeigt auch eine Situation eines Geflüchteten, der in Kiel in einer Unterkunft untergebracht war und von der uns Smail Rappic erzählt hat.
01:33:30
In Kiel passierte Folgendes.
01:33:32
In einem Heim für Flüchtlinge war ein Flüchtling in einem Doppelzimmer untergebracht, hat darum gebeten, dass er in ein Einzelzimmer verlegt wird.
01:33:39
Dann sagte man ihm, leider haben wir keine Einzelzimmer, hat darauf bestanden.
01:33:42
Dann haben sich ein paar Leute am Deutschen Roten Kreuz zusammengetan und gesagt, wir besuchen Sie, wir reden um das Problem.
01:33:47
Und als sie die Tür geöffnet haben, sprang er aus dem Fenster, aus dem dritten Stock, hat sich schwer verletzt.
01:33:52
Also die Situation, das jetzt offizielle, in den Raum kommt, wo er wohnt, hat bei ihm diese Retraumatisierung ausgelöst und er sprang aus dem Fenster, vollkommen in Panik und hat sich eben schwer verletzt.
01:34:03
Ja, und richtig schlimm ist halt auch diese tiefgreifende Störung des Urvertrauens, sagt Psychotherapeut Michael Bruns, der mit Folteropfern arbeitet, gegenüber der Taz.
01:34:13
Zitat, wer einmal in einer Umgebung gelebt hat, in der er niemandem vertrauen kann und immer wieder der Gewalt der anderen ausgeliefert ist, hat es danach sehr schwer, auch in einem friedlichen Umfeld.
01:34:24
Also heiß Betroffene haben nach solchen Erfahrungen halt auch oft große Probleme, Beziehungen aufzubauen.
01:34:30
Also streckt sich halt dann einfach in alle Lebenslagen womöglich.
01:34:34
Und dieser Schriftsteller, von dem ich eben gesprochen habe, der an diesem Pfahl aufgehangen wurde, der hat in seinem Zeitartikel auch geschrieben, dass der quasi heute noch da dran hängt.
01:34:46
Und ich finde, daran kann man eben auch ganz gut sehen, dass halt auch wenn man diese Folterkammer oder das Gefängnis schon längst verlassen hat und irgendwie nicht mal mehr Narben da sind,
01:34:57
Und dass diese psychischen Verletzungen halt auch ein ganzes Leben lang bleiben können.
01:35:03
Was ich einfach sau ernüchternd fand, ist, dass halt immer noch so viel gefoltert wird, aber dass sich das auch nicht so schnell ändern wird.
01:35:14
Das hat uns halt eben auch unser Experte von Amnesty International, Herr Rapic, erzählt.
01:35:20
Und der hat uns auch gesagt, was ein Grund dafür sein könnte.
01:35:24
Eine weitere wichtige Rolle spielt eben, dass Regime, die systematisch Folter anwenden, häufig nicht sanktioniert werden.
01:35:32
Ein ganz konkretes Beispiel ist Ägypten.
01:35:34
In Ägypten wird nach wie vor systematisch gefoltert.
01:35:37
Es gibt einen grauenerregenden Fall, das ist der des italienischen Doktoranden Giulio De Genni, der 2016 vom ägyptischen Geheimdienst entführt wurde und dann vermutlich tagelang in einer bestialischen Weise gefoltert wurde und ermordet wurde, die man gar nicht wiedergeben kann.
01:35:55
Es ist einfach ein grauen Fall, was wirklich geschehen ist.
01:35:56
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Verantwortlichen ägyptische Geheimdienstler waren.
01:36:02
Und Giulio De Genni hatte eine Dozentenstelle an einem Forschungsinstitut in Kairo, einem deutschen Institut für Entwicklungspolitik.
01:36:11
Er war Doktorand aus Cambridge.
01:36:12
Und er hat seine Doktorarbeit geschrieben über unabhängige Gewerkschaften in Ägypten.
01:36:18
Er hat sich in Zeitungsartikeln kritisch über das Militärregime von Präsident Al-Sisi geäußert.
01:36:23
Das war der Grund für seine Ermordung.
01:36:24
Das Europäische Parlament hat nach seiner Ermordung einen Stopp von Waffenlieferungen in Ägypten verlangt.
01:36:29
Aber das ist nicht geschehen.
01:36:31
Ägypten bekommt zum Beispiel eine massive Militärhilfe, bekommt Waffen von Deutschland und von Frankreich.
01:36:39
Das heißt, die bestialische Ermordung eines europäischen Staatsbürgers hindert Deutschland und Frankreich nicht daran,
01:36:45
dieses Regime von Al-Sisi mit Waffen wirklich vollzustopfen.
01:36:48
Solange er sich sicher sein kann, dass ihn die systematische Folter überhaupt nicht von weiterer Unterstützung für den Westen abhält,
01:36:56
wird er auch weiter foltern lassen.
01:36:58
Was neben Sanktionen auch noch helfen könnte, laut Rapic, wäre das Zusatzprotokoll der UN-Antifolterkonvention.
01:37:05
Denn das erlaubt unabhängigen BeobachterInnen, alle Gefängnisse der Länder, die halt diese Konvention unterschrieben haben, zu untersuchen.
01:37:14
Also, dass das halt auch richtig geprüft werden kann, dass da auch nicht gefoltert wird.
01:37:18
Und ratet doch mal, von wem dieses Zusatzprotokoll nicht unterschrieben wurde.
01:37:25
Weder von den USA noch von Russland, China oder dem Iran.
01:37:30
Also, den Ländern, die teilweise auch heute noch für die Folter verantwortlich sind.
01:37:35
Kann man halt auch viel sagen, ja, nee, wir machen keine Folter, aber es dann halt doch heimlich machen,
01:37:42
weil man nicht erlaubt, dass jemand das überprüfen kann.
01:37:45
Also, was ich sowieso, warum unterschreiben die das denn überhaupt?
01:37:49
Müssen sie doch gar nicht.
01:37:50
Ja, also, ich denke mir bei der USA, weil die ja schon sich immer sehr als Vorbild und als Vorreiter und als Weltmacht und Klassensprecher von allen sehen und dann das vornherum quasi sich so darstellen wollen, als wäre da alles völkerrechtlich richtig.
01:38:08
So, wir haben noch gute Neuigkeiten.
01:38:14
Einige von euch haben es vielleicht schon auf Instagram gesehen.
01:38:18
Wegen unseres Urlaubs kommt das jetzt hier ein bisschen verspätet.
01:38:20
Der mutmaßliche, muss man ja sagen, Mörder von Friederike von Mühlmann sitzt wieder in Untersuchungshaft.
01:38:27
Und zwar haben wir in Folge 13 schon mal über den Fall erzählt.
01:38:31
Friederike von Mühlmann war damals 17 Jahre alt, als sie 1981 getötet wurde.
01:38:37
Damals stand schon mal Ismet H. vor Gericht.
01:38:40
Der wurde aber freigesprochen, weil ihm die Tat halt letztendlich nicht wirklich nachgewiesen werden konnte.
01:38:44
Und als man sich den Fall 2012 dann aber halt nochmal angeguckt hat und diesmal auf Spuren von DNA untersuchte, das gab es ja so 1981 noch nicht,
01:38:54
Da fand man dann halt die DNA des damals freigesprochenen auf einem Stück Toilettenpapier in Friederike Slip.
01:39:00
Nun konnte man Ismet H., aber wegen unseres Grundsatzes Nebes in Idem, der besagt, dass man halt nicht zweimal wegen derselben Sache belangt werden darf, nicht nochmal vor Gericht stellen.
01:39:13
Allerdings sieht Paragraf 362, Ziffer 5 der Strafprozessordnung seit Ende Dezember 2021 vor, dass ein Wiederaufnahmeverfahren eines Verdächtigen zu seinen Ungunsten jetzt doch stattfinden kann,
01:39:27
wenn sich aus nachträglich verfügbaren Beweismitteln eine hohe Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Person verurteilt wird.
01:39:34
Und das sieht man hier jetzt bei Ismet H. offenbar.
01:39:38
Ja, endlich. Das ist genau die richtige Entscheidung, weil es doch auch so ist, dass man ja nichts dafür kann, dass 1981 die Wissenschaft noch nicht so weit war und man da nicht einfach sagen kann,
01:39:55
Och ja, da waren wir halt ein bisschen langsam und da waren wir noch nicht so weit und deswegen kann er jetzt davonlaufen.
01:40:04
Also bei aller Liebe zum Rechtsfrieden und unserer Verfassung, wenn du im Prinzip weißt, dass dieser Mensch ein Mädchen ermordet hat, dann darf der nicht frei rumlaufen.
01:40:17
Ja, und vor allen Dingen finde ich dann, wenn das so wäre, dass er dann weiterhin frei rumläuft, dann ist mein Rechtsfrieden gestört, ja, weil das ist dann kein Frieden.
01:40:26
Dann kann man ja nicht zur Ruhe kommen und ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie es dem Vater oder der Familie jetzt all die Jahre ging, dass sie wussten, wer das war und dass er nicht bestraft wird für diese Tat.
01:40:40
Ja, ja. Ich denke halt leider nur, dass das letzte Wort da noch nicht gesprochen ist, weil es ja eben diese enorme Kritik an dieser Neuerung der Strafprozessordnung da schon gab und der Strafverteidiger von Ismet H. auch schon angekündigt hat, zur Not auch bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.
01:40:59
Aber da halten wir euch natürlich auf dem Laufenden.